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Chvrches – Every Open Eye – Gut investiert

Nach eins kommt im Regelfall zwei. Die Seelenlage von Bands, die nach dem ersten erfolgreichen Album das zweite folgen lassen wollen, ist ein bislang von Psychologen, Soziologen und Dokutainment immer noch wenig beackertes Forschungsgebiet. Auch für Chvrches stellte sich zwei Jahre und 365 Live-Shows nach dem globalen Überraschungserfolg von „The Bones Of What You Believe“ natürlich die Frage nach dem Nachfolgealbum. Auf „Every Open Eye“ lässt sich jetzt hören, wie das Trio aus Glasgow diese Aufgabenstellung für sich gelöst hat.

Einem Fehler sind sie schon mal nicht anheimgefallen. Während manche Bands in ähnlicher Situation der Versuchung erlegen sind, sich einen namhaften Producer und ein teures Studio zu leisten – oft mit dem Ergebnis, dass die dicke Produktion die eigentlichen Qualitäten der Band zugedeckt hat – blieben Iain Cook, Lauren Mayberry und Martin Doherty auf dem Boden, und zwar auf dem ihres Studios in Glasgow. Sie investierten einen Teil des Geldes, das durch „The Bones Of What You Believe“ reinkam, nämlich lieber in ihr eigenes Studio. Und das nicht nur in einen neuen Wandanstrich, sondern auch in die Anschaffung von ein paar raren und nicht gerade billigen Achtziger Synthesizer-Klassikern von Roland, Oberheim u.ä. Außerdem sind die männlichen Zweidrittel von Chvrches auch selber recht fit auf dem Aufnahmesektor.

Eine richtige Entscheidung, denn die fetten und brillanten Analogsounds prägen den Sound von „Every Open Eye“ schon ziemlich deutlich und geben ihm eine markante Achtziger Note. Die war zwar auch vorher schon vorhanden, aber jetzt kommt sie noch um einiges authentischer. Dabei geht es Chvrches allerdings auch nicht um eine reine Retro-Popästhetik oder bloßes Nachbauen. Denn durch aktuelle Produktionstechniken und ihr Songwriting tarieren sie das Ganze auch wieder in Richtung Jetzt-Zeit aus.

Übermäßige Neuerungen lässt „Every Open Eye“ ansonsten nicht erkennen. Im Prinzip hat das Trio seinen Stil behutsam weiterentwickelt und keinem kompletten Umbau unterzogen. Der Sound der elf Stücke ist dabei nach wie vor glasklar und schlank. Stilistisch geht die Tendenz diesmal allerdings schon ein bisschen stärker in Richtung Mainstream mit Ecken und Kanten, anstatt in Richtung Indie-Elektronik mit deutlicher Pop-Ausrichtung.

Generell aber auch kein Beinbruch, denn dem Charme von Stücken wie „Never Ending Circles“, „Leave A Trace“ „Empty Threat“ oder „Keep You On My Side“ kann man sich kaum entziehen, egal wie man die Stücke stilistisch verortet. Gelegentlich mischen sie dabei auch schon mal zwei, drei Portionen Sacharine-Süße zu viel in ihren Sound. So zum Beispiel bei den beiden Balladen „Down Side Of Me“ und „Afterglow“.

Auffallend ist, wie sehr sich Lauren Mayberry als Sängerin entwickelt hat. Im direkten Vergleich mit Album Nummer eins fällt auf, dass ihre Stimme ziemlich an Kraft, Charakter, Selbstbewusstsein und Vielseitigkeit im Ausdruck gewonnen hat. Der Grund für diese Entwicklung dürfte wohl auch in den zahlreichen gespielten Live-Shows in den letzten zwei Jahren zu finden sein.

Was sich auch ausgezahlt hat, ist das Chvrches trotz aller Investitionen in ihr eigenes Equipment auch noch ein wenig Geld in den Gesamtsound des Albums gesteckt haben. Das Album wurde von Spike Stent und Bob Ludwig abgemischt (beide mit extrem langer Liste extrem bekannter Musiker und Bands) und gemastert. Mit dem Ergebnis, dass „Every Open Eye“ klanglich ausgewogen und druckvoll aus den Speakern kommt.

Von Anfang an haben Chvrches klar gemacht, dass sie nur nach ihren eigenen Regeln spielen wollen. Auch „Every Open Eye“ bestätigt das. Anstatt zu versuchen, sensationell und überraschend mit Unerwartetem auftrumpfen zu wollen, setzen sie lieber auf eine organische Weiterentwicklung ihrer Qualitäten. “We’ll take the best parts of ourselves and make them gold” singt Lauren Mayberry auf “Make Them Gold”. Gut möglich, dass ihnen das Album dabei behilflich sein wird.

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