Es ereignete sich im stürmischen Oktober des hektischen Musikjahres 2013: (M)eine ebenso stürmische wie wütende Kritik zu Miley CyrusBangerz“ erblickte scheu das Licht der Welt. Die Bitte: Das Mädchen solle doch endlich – endlich! – damit anfangen, aufzuhören. Doch das eindringliche Flehen wurde eiskalt mit gleich 23 neuen Tracks an der beeindruckenden Zahl abgeschmettert. Denn im bedeutungsschwangeren August erblickte – nur von Miley selbst kurzfristig angekündigt – „Miley Cyrus & Her Dead Petz“ das kleine Schlupfloch-Licht in der von Entertainmentprodukten übersättigten Musikmarkt-Welt: Jene Sängerin, in deren schillerbunten Welt reinweg nichts zu viel kostet – außer vielleicht der eine oder andere anständige Fetzen bedeckenden Stoffes –, steigt in die Kostenloskultur ein und lädt ihren neuesten Streich schlichtweg auf SoundCloud hoch. Herzlich willkommen.

Nicht verbittert, vielmehr neugierig-zweifelnd blickte ich dem fetten Ding entgegen, das auf meinem eifrig ruckelnden Rechner landete. Tapfer stellte ich mich auf das Vergeuden von einer Stunde und – Alter! – 40 weiteren Minuten meiner Lebenszeit ein. Das hier war meine Mutprobe. Das war Miley Cyrus. Und ihr fünftes Album. Play.

Eines vorweg: Ich hätte diese Zeit meines Lebens auch schlimmer verbringen können, zugegeben. Stattdessen spukte eine schier unlösbare Rechnung in meinem Kopf herum: Warum um alles in der hitversessenen Welt kollaborieren alteingesessene Psychedelic-Rock-Opis mit einer psychOdelic Skandalnudel? Die vorerst zweifeln lassende und groß angepriesene Zusammenarbeit mit den Flaming Lips trägt zwar keine prallen, doch immerhin exotischere Früchte denn zuvor:

Elektronisch ist das Ganze. Verzerrt, verschmiert, verquer. Es ist nicht fassbar: Songstrukturen werden über Bord geworfen und jegliche Mastering-Ästhetik an die Wand gefahren. The Residents lassen grüßen. So kann es leicht passieren, dass okaye bouncy Allerwelts-Beats Dich zu tausendfachen Stimmbearbeitungen abholen wollen – zack, bumm, das ist die ganze Kunst („Fucking Fucked Up“). Es kann weiterhin vorkommen, dass kleinere Balladenstreifzüge unternommen („I Get So Scared“) und direkt neben Diskolungereien („Sun“) platziert werden, oder aber tatsächliche Gesangspassagen mit dem lüstern-lasziven Gesangs-Hauch-Stil einer Lana Del Rey prahlen („Cyrus Skies“).

Natürlich rutscht auch das Ganze ab und zu in die aalglatte Schiene der bekannt-versexten Pfui-Texte: „I’m sucking on your nipples / licking milky milky stars“ heißt es etwa in „Milky Milky Milk“ oder schummelt sich ähnlich verwegen in die „Bang Me Box“.

Doch summa summarum ist „Miley Cyrus & Her Dead Petz“ ein einziges “Weg”. Weg von der Hitgeilheit, weg von der Promo-Heischerei; Weg von einer Miley Cyrus, um welche scheinbar vielversprechende Gassenhauer-Gefüge eiskalt herumgebacken werden. Stattdessen heckt sie mit Ariel Pink, Big Sean und weiteren in einer preiswerten Soundbäckerei ganz verschiedene Dinge aus. Dinge, die Dir hinterhergeschmissen werden und mit denen Du anstellen kannst, was Du willst: motzen, kotzen, rotzen? Das liegt bei Dir. Doch das Ganze ist okay – wie in „okaaaaaay“. Es ist einfacher Pop und will nichts Besseres sein. Also lassen wir es Pop sein. Und lassen wir Miley Miley sein. Solch eine heile Welt, yessa.

Wo bleibt meine nächste Mutprobe?

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