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Rhodes – Wishes

Nach den ersten Tönen musste man das machen, was der Sänger macht: Stöhnen. Bitte nicht der nächste Sam Smith, auch wenn man jenen für seine Stimme sicherlich schätzen kann. Doch die verkürzte Aufmerksamkeitsspanne, für die man sich jetzt fast ein wenig schämt, hat einen ausgetrickst. Der südenglische Sänger Rhodes macht nämlich keinen R´n´B, sondern Songwriting, der sich im klassischen Rock´n´Roll positioniert. In Sachen Radiohit-kompatibilität muss er sich aber nicht hinter Sam Smith verstecken. Songs wie „Close Your Eyes“ dürften perfekt hinter jede Staumeldung passen, auch unabhängig von der Uhrzeit.

Doch Rhodes präsentiert auf seinem Debüt ebenso längere Stücke mit einer Gitarrenführung, die man fast episch nennen könnte. „You And I“ ist diesbezüglich ein Musterbeispiel. Es spricht für eine gute Intuition seitens Rhodes, auf schlichte wie traditionelle Akustik zu verzichten. Zumindest ist die in der Regel nur für den Beginn der opulenten Gitarrenwellen zuständig, auf die sich seine kräftige wie auch weiche Stimme legt, die zu hart für den Kirchenchor und zu weichgespült für die Indie-Bands an der Schule gewesen sein dürfte.

Jedenfalls ist es diese elegische Note, die Rhodes versiert in seine treibenden Gitarrenorchester überführt, die auch die leichte Überdosis Schmalz verzeihen lässt – oder sogar genießbar macht. Die UK-Hoffnung braucht diese breite Klanggewalt förmlich, um seine stets leicht zerbrechliche Stimme auf ganzer Linie entfalten zu können. Keine Frage: Die Streichersequenzen und der melodramatische Gesang in Stücken wie „Your Soul“ sind wie prädestiniert für Zeitlupen-Videos, in denen sich diverse zwischenmenschliche Situationen abspielen. Hollywood lässt grüßen – aber nicht alles von dort muss ja immer falsch sein. In den besten Momenten von „Wishes“ erinnert Rhodes an die höchsten Höhen von Chris Martin und macht wie jener den Kitsch wieder tragfähig.

Die stampfenden Drums und die geschickt durch einen Anflug von Sirenengitarren geleitete Melodieführung auf „Better“ demonstriert jedenfalls das musikalische Talent des Musikers, der bereits mit einem 24-Mann-Orchester aufgetreten ist. Nach dem Emotions- und Gitarrengipfel folgt hier nach kurzem Silentium noch ein klassischer Orchestermoment. Rhodes denkt in groß und sollte somit aus technischer Perspektive den meisten Songwritern seiner Zunft weit voraus sein. „Wishes“ ist voll von Pathos-Pop mit wenig emotionaler Zurückhaltung, der von den Soundvorstellungen nah an aktuellen Interpreten wie Hozier oder Birdy liegt. Letztere singt übrigens im Duett „Let It All Go“ mit, das kompositorisch betrachtet neben dem Piano-getragenem Titeltrack zu den Höhepunkten eines vielversprechenden Debüts gehört. Und auch Taylor Swift gehört in die Referenzbox, denn von ihr covert Rhodes das Stück „Blank Space“.

Ein leichtes Leck kriegt die zugestandene Eleganz aber in Sachen Songwriting. Das ist nämlich phasenweise ein wenig vorhersehbar und anbiedernd wie die Arrangements selbst geraten. „I wanna be like you want me to“ heißt es dann auch wortwörtlich in „Better“. Demnächst einen Satz weniger Kompromisse und Mut zur Kante, dann kann der Nachfolger noch spannender werden. Der Hang zur Perfektion ist aber auch dem Einfluss geschuldet. Mit den ganz Großen war Rhodes bereits auf Tour und von denen schaut man sich natürlich automatisch was ab. So ganz nebenbei: Auch mit Sam Smith ist der Songwriter schon einmal aufgetreten.

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