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U.S. Girls – Half Free

Wer mit U.S.Girls generell Spring Break Feeling assoziiert oder bei Platten vom ehrwürdigen 4AD-Label grundsätzlich an sphärischen Indie-Pop denkt, liegt bei „Half Free“ daneben. Bei U.S. Girls handelt es sich nur um eine Person, um Meg Remy. Die hat nach geraumer Zeit im Musik-Underground und einer nicht exakt zu ermittelnden Zahl von Homerecord-Veröffentlichungen nun erstmals bei der britischen Musik-Institution angeheuert, um sich so einer breiteren Hörerschaft erschließen zu können.

Ihre Themen sind von gesanglich sonnig abgehandelten Problemen amerikanischer Frauen so weit entfernt wie von schwelgerisch besungenen Traumwelten. Aus dem schleifend-wackeligen Opener „Sororal Feelings“ schält sich die Geschichte einer Frau, deren Mann schon mit ihren Schwestern in der Kiste lag. “Now I´m gonna hang myself from my family tree“ kommentiert Remy bitter das Konfliktpotential derartiger Konstellationen. Dabei ist dieses interfamiliäre Thema noch verhältnismäßig leicht verdaulich, das folgende „Damn That Valley“ erzählt über einem hüpfenden Gwen-Stefanie-Dub-Beat die Geschichte einer Kriegswitwe, deren Gatte für die Werte der westlichen Welt in den Staub Afghanistans biss.

Mit ihren Geschichten die Gegenwart zu bebildern, ist es nicht allein, was die Songwriterin umtreibt, ihr geht es um mehr. Komprimiert wird dies in dem Hörspiel „Telephone Play No. 1“, der Unterhaltung zweier Freundinnen über eine skurrilen Traum, der symbolisch für Unterdrückung, Ausbeutung und Missbrauch von Frauen im privaten wie beruflichen Umfeld steht. Und das unter dem Etikett der Selbstbestimmung mit der Aussicht auf Aufstiegsmöglichkeiten – die halbe Freiheit eben, höhnisch beklatscht vom Sitcom-Beifall aus der Konserve.

Musikalisch hat Meg Remy mit Unterstützung von Ehemann Max Thurnbull (als Slim Twig selber aktiver Musiker) auf dem leider nur eine gute halbe Stunde kurzen Album ein Stil-Füllhorn ausgeschüttet. Irgendwo zwischen Cat Power, Lana del Rey und Dear Reader angesiedelt, fehlt es weder an Lo-Fi noch an Elektro-Einflüssen. Eingebettet in ein Retro-Pop Design wird mit Deep-House hantiert und mit pseudo-psychedelischen Gitarren-Soli gearbeitet. Bei „Sed Knife“ scheppert gar ein wenig das Garagen-Rock Dach und alles zusammen bildet die Kulisse für die die strahlend lebendige Stimme der Künstlerin mit der Wahlheimat Toronto.

Wenn der angedeutete, schillernde Disco-Glammer in „Window Shades“ die beschriebene emotionale Erstarkung seiner Hauptdarstellerin beschreibt, oder das wunderbare, mit einem Hauch Tindersticks versehene, „Red Comes In Many Shades“ mit der gescheiterten Liebe zu einer reiferen Geliebten eher Zwischenmenschliches beschreibt, scheint die Botschaft der Platte eine andere: mit der Hälfte geben wir Frauen uns nicht mehr zufrieden.

So gesehen sind die epischen sieben Minuten des letzten Stücks „Woman`s Work“ mit seinen Glockenspiel und Chören keine Abrechnung, sondern eher ein Versprechen, nicht locker zu lassen, bis die ganze Freiheit erkämpft ist: “A woman’s work is never done, she doesn’t sleep ’til the morning comes”.

„Half Free“ ist ein starkes Album einer starken Frau mit einer klaren Attitüde. Chapeau!

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