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David Lynch And Marek Zebrowski – Polish Night Music

Vorfreude, schönste Freude. Das passt in die Vorweihnachtszeit genauso wie zur Gemütslage der treuen Fans von Kult-Regisseur David Lynch, der für 2016 die dritte Staffel „Twin Peaks“ angekündigt hat. Wem das zu lang ist, der kann sich jetzt eine Doppel-Vinyl Version inklusive Download Code seiner bereits 2007 als CD in streng limitierter Auflage erschienenen musikalischen Zusammenarbeit mit dem polnischen Komponisten und Pianisten Marek Zebrowski unter den Lichterbaum legen oder legen lassen.

Der war beim Dreh von „Inland Empire“ in Polen als Übersetzer dabei, im Dialog vor Ort entdeckten beide Männer ihre gemeinsame Obsession für experimentelle Musik. Bald folgte der Klavier-Virtuose der Einladung Lynchs nach Los Angeles, die dort eingespielten Improvisationen wurden unter „Polish Night Music“ zusammengefasst, als Hommage an die noctambule Stimmung am Set in Osteuropa, einem Land, welches selbst Zebrowski immer wieder neu überrascht.

Wer jetzt vom Musiker Lynch, der kein Instrument sicher beherrscht und sich selbst als Nicht-Musiker bezeichnet, Songs wie auf „Crazy Clown Time“ oder „The Big Dream“ erwartet, liegt daneben. Vier rein instrumentale Tracks finden sich auf der Platte, die trotzdem auf 1¼ Stunden Spielzeit kommt.

Die Stücke sind Brocken von 13 bis 26 Minuten Länge. Obwohl kein Soundtrack, wähnt man sich beim Hören mitten in einem Lynch Film, das fehlende Bild folgt im Kopfkino. Die Musik wird geformt aus Minimal-Elektronik und dem prägenden Klavierspiels Zebrowskis, welches manchmal aus Einzeltönen besteht, manchmal den Ansatz einer Melodie in sich trägt.

Gemeinsam ist den Stücken ihre Unruhe, die schräge Aneinanderreihung einer klaustrophobischen Geräuschkulisse. Der Wind rauscht, die Schritte klappern über den Kies, das Piano klingt mal sanft mal eiskalt.Bereits im Opener „Night-City Back Street“ ist die Nacht so grau wie alle darin umherstreunenden Katzen, die Töne streichen  ähnlich dem Gesamtwerk von Bohren Und Der Club Of Gore um finstere Häuserecken.

Nicht nur, wenn sich die Tonspuren in „Night-A Woman On A Dark Street Corner“ eher voneinander entfernen denn annähern, verwirren die Arrangements wie die Handlungen von „Lost Highway“ oder „Mulholland Drive“. Die Klänge tauchen ins Unnahbare ein oder grüßen aus der Ferne, klingen dabei manchmal nach trügerischen Idyll, meistens aber latent unheimlich.

Ein derartiges, sich allen Konventionen entziehendes Werk ist nicht für Hintergrund-Berieselung oder Autoradio gemacht, zum Genuss wird es im angemessen ruhigen Rahmen. Alternativ empfiehlt sich auch der Einsatz von Kopfhörern. Warum das Vinyl im schicken Klapp-Cover jetzt, acht Jahre nach der digitalen Ausgabe, auf den Markt kommt, bleibt offen. Auf jeden Fall ist die Platte ein schönes Sammler-Stück, welches sich seinen Platz im Regal redlich verdient. Die in Arbeit befindliche Biografie des Regisseurs kommt dann später daneben.

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