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Da sind ein paar Sachen, die ich bereue – Cage The Elephant im Interview

Am 18. Dezember 2015 erblickte das aktuelle Album von Cage The Elephant das Licht der Welt. Von Kritikern und Fans gelobt, stieg “Tell Me I’m Pretty” sofort in die Top 30-Albumcharts und bescherte den fünf Jungs aus Kentucky bis dato eine ausverkaufte Tournee. Wir sprachen mit Sänger Matt Shultz vor dem Berliner Konzert über das aktuelle Werk, Dan Auerbach, musikalische Einflüsse, alte Filme und den Stylisten von Kanye West.

Musikblog: Ihr kommt gerade aus Amsterdam, wie war euer Konzert dort?

Matt Shultz: Es war unglaublich! Das Publikum war echt gut drauf. Am Anfang war die Stimmung noch ein bisschen verhalten, doch schnell entfachte eine super Energie unter den Leuten. Um ehrlich zu sein, war es bisher eines der besten Konzerte auf der Tour.

Musikblog: Seit knapp zwei Monaten ist euer viertes Werk “Tell Me I’m Pretty” auf dem Markt. Stimmlich habt ihr euch auf diesem leicht verändert und habt euch von dem Rock’n’Roll- / Alternative-Sound der vorangegangenen Alben eher in Richtung Akustik entwickelt. Gab es dafür einen bestimmten Grund?

Matt Shultz: (überlegt) Ich glaube nicht, dass es eine bewusste Entscheidung war. Vielleicht kommt es so rüber, da wir mit jedem Album versuchen, immer transparenter zu werden. Als ich noch jünger war, lag mir viel an meinem eigenen Image. Das hat allerdings eher unser musikalisches Potential gedämpft. Mittlerweile versuche ich aber mehr und mehr mich davon zu distanzieren. Daher kann es sein, dass “Tell Me I’m Pretty” akustischer und natürlicher rüberkommt.

Musikblog: Euer aktuelles Werk wurde von Dan Auerbach (The Black Keys) produziert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit und hat er euer Album beeinflusst?

Matt Shultz: In den letzten Jahren waren wir öfters mit den Black Keys auf Tour. An unseren freien Tagen spielten wir aus Spaß oft Fußball. Wir wurden wirklich gute Freunde. Irgendwann tourten wir wieder zusammen und gingen zu Dans Hotelzimmer und zeigten ihm unsere Ideen. Ich glaube, wir hatten es beide schon im Kopf, irgendwann mal miteinander zu arbeiten. Kurz danach schickte er mir eine Textnachricht, in der stand, dass er verlangt, unser neues Album zu produzieren. (lacht) Davon waren wir echt begeistert und hofften, dass er genauso hinter unseren Ideen stehen würde. Das tat er. Also konnten wir ihn letztlich überzeugen.

Musikblog: Ist er eher der disziplinierte Produzent oder doch mehr so wie ein Freund? Seid ihr gut miteinander ausgekommen?

Matt Shultz: Ein bisschen von beidem. Er war sehr diplomatisch, auch wenn ich es, hasse dieses Wort zu verwenden. Dan war nicht ungerecht, eher bekräftigend. Er hat uns echt davon abgehalten, uns selbst zu sabotieren. Viele der Songs waren nach 1, 2, oder 3 Aufnahmen schon auf dem Album. Unsere ersten Impulse eines Songs waren ihm sehr wichtig. Es gibt zum Beispiel auf dem Album einige Gesangparts, die eigentlich stimmlich sehr zerkratzt sind, was wir früher nie gemacht hätten.

Außerdem hat er noch andere sehr interessante Dinge gemacht. Zum Beispiel spielte er uns diese obskuren Platten vor. Von lateinamerikanischer Musik bis hin zu Afro-Beat hörten wir gefühlt alles. Jeder sagte sowas wie “Oh – dieser Bass Groove ist Wahnsinn!” oder “Diese ganze Atmosphäre des Songs ist großartig.”. In den Momenten, in denen wir am begeistertsten waren, sagte Dan: “Ok. Nehmen wir euren letzten Song noch einmal auf!”. Ob sich der Song danach in der Komposition und Herangehensweise veränderte oder nicht, so entwickelte dieses Experiment auf jeden Fall eine einzigartige energiereiche Stimmung.

Ich fand das ziemlich beeindruckend, da unser erster Produzent, der auch echt ein sehr guter ist, sich vor sowas scheute. Er wollte eher, dass unser Aufnahmeprozess sich ohne äußere Einflüsse selbst entwickelt, was auch sehr gut sein kann. Aber Dan gab uns mit dieser Musik so viel Input. Letztendlich entwickelten sich die Songs auf dem neuen Album sehr vielschichtig und einige dieser Einflüssen von Dans Platten fanden ihren ganz eigenen Weg auf unser Album. Beide Herangehensweisen sind cool, aber letztlich habe ich bei Dan sehr viel Neues gelernt.

Musikblog: Euer aktuelles Album ist in diesem Sinne also eine Weiterentwicklung der vorangegangenen Platte “Melophobia”. Es klingt aber mehr nach 60er mit diesem typischen Tennessee-Sound.

Matt Shultz: Ja! Ich denke, dass es auf jeden Fall stark von Nashville beeinflusst ist. Es gibt dort viele tolle Bands wie Clear Plasic Masks, Faux Ferocious, Jeff The Brotherhood und Chrome Pony, die heute Abend mit uns spielen. Alle haben diesen sehr typischen Sound gemeinsam. Ich wohne nun seit zwei Jahren in Nashville und die anderen aus der Band schon mindestens ein halbes Jahrzehnt. Natürlich gehen wir dort auch auf viele Konzerte und werden davon definitiv beeinflusst.

Musikblog: Wie war eigentlich euer Alltag während der Zeit im Studio? Hattet ihr ein paar Rituale oder habt ihr etwas hinsichtlich der anderen Alben anders gemacht?

Matt Shultz: Nein, keine wirklichen Rituale. Für uns war es eher eine Mischung aus dem fokussierten Arbeiten mit einem sehr guten Freund und dem Ziel, dabei diese Vibes einzufangen. Das einzige, was einem Ritual nahe kommt, war, dass wir zusammen immer viel Musik gehört haben.

Einer der größten Unterschiede zu den anderen Alben war, dass wir uns damals nicht auf die Arbeit im Studio vorbereitet haben. Wir haben erst vor Ort angefangen und jeden Song wie unter einem Mikroskop zusammen gebaut, jeden einzeln bearbeitet, um wirklich sicherzugehen, dass am Ende alles zusammenpasst. Bei “Tell Me I’m Pretty” haben wir viel mehr Zeit damit verbracht, uns vorzubereiten und eigentlich sehr wenig Zeit im Studio verbracht. Beide Herangehensweisen sind interessant, beide haben ihre guten aber auch ihre “beängstigenden” Seiten. (lacht)

Musikblog: Was habt ihr denn noch so gehört, als ihr die Songs geschrieben habt? Einige Kritiker sagen, man hört ein bisschen was von den Beatles und den Stones.

Matt Shultz: Ehrlich gesagt, hatten wir nicht wirklich Zeit, unsere eigenen Musiksammlungen zu durchforsten. Ich kann jetzt nicht für die anderen Jungs sprechen, aber ich habe versucht, nicht direkt Songs zuhören, sondern mich eher daran zu erinnern und wurde dadurch quasi indirekt beeinflusst. Ich habe während dieser Zeit dennoch ein bisschen The Zombies oder Simon & Garfunkel gehört. Außerdem wurde ich von viel Zeugs inspiriert, was man auf der Platte nicht hört, wie zum Beispiel LCD Soundsystem. Ich weiß, das klingt jetzt echt verrückt. Aber am meisten waren es letztlich echt die Bands aus Nashville.

Musikblog: Jeder, der Cage The Elephant schon einmal live gesehen hat, weiß, dass ihr auf der Bühne regelrecht explodiert. Funktioniert das auch mit den neueren Songs? Sie sind ja eher emotional und etwas langsamer.

Matt Shultz: Ich glaube, die Songs entwickeln auf der Bühne ihre eigene “Live-Persönlichkeit”. Wenn wir die Neueren spielen, haben sie die gleiche intensive Energie wie die anderen, eben nur etwas zurückhaltender – absichtlich zurückhaltender, um die Glaubhaftigkeit und Ehrlichkeit zu unterstreichen. Aber ich denke, sie funktionieren live sehr gut.

Musikblog: In eurem Video zu “Mess Around” nutzt ihr einige Ausschnitte aus dem Film “A Trip To The Moon” von 1902. Was war die Idee dahinter?

Matt Shultz: Ich hatte irgendwann mal eine remasterte Version des Films gesehen, wo Air den Soundtrack gemacht hatte und war ziemlich begeistert. Ich fing an, die Werke von George Méliès zu recherchieren und bin dabei auch auf Filme wie “The Impossible Journey”, “Fairy Kingdom” und “The Merry Frolics of Satan” gestoßen. Ich liebe sie alle – die Story, die Technik und das Gesamtwerk!

Die Idee zu unserem Video war dann einfach. Wir wollten unsere Aufnahmen wie in den Filmen von Méliès einfärben lassen, doch man erklärte uns, dass das früher per Hand gemacht wurde und heute zu aufwendig und teuer wäre. Als erstes war ich natürlich sehr enttäuscht. Meine Frau kommt genauso wie George Méliès aus Frankreich und ich redete mit einigen ihrer Freunde darüber. Diese sagten “Oh. Die Filme sind doch jetzt lizenzfrei” und ich so “Was?!” und die so “Ja! Seine Filme sind für jeden zugänglich, da sie schon so alt sind.”. Also wandten wir uns an die zuständige Organisation und die sagten uns freundlicherweise zu.

Musikblog: Ihr seid ja kürzlich mit Metallica aufgetreten und wart mit den Black Keys, Foo Fighters und vielen anderen auf Tour. Hatte das irgendeinen Einfluss auf eure Musik, wie ihr Songs schreibt oder live performt?

Matt Shultz: Ich weiß nicht, ob die Aufnahmen davon beeinflusst wurden. Wenn es aber um die Live-Performance geht, dann haben wir definitiv von den meisten Bands auf Tour was mitgenommen, aber natürlich nicht direkt kopiert. Es gibt diese Redewendung, dass man sich nicht zu ernst nehmen soll. Ich würde aber eher sagen, dass man sich selbst nicht höher stellen sollte als man ist. Denn mir ist es wichtig, dass man alles ernst nimmt und ehrlich ist. Ich versuche, Konzerte so zu gestalten, als wäre es eine Unterhaltung mit dem Publikum. Das ist das, was ich am meisten von den anderen Bands, mit denen wir tourten, gelernt habe.

Musikblog: Nächsten Monat ist euer 9jähriges Bühnenjubiläum. Wie blickst du auf diese Zeit zurück? Hättest du irgendetwas anders gemacht?

Matt Shultz: Ehrlich gesagt, glaube ich, dass es sogar schon länger her ist. Es müssten mittlerweile zehn Jahre sein, aber du meinst wahrscheinlich unsere allererste Liveshow, die aufgenommen wurde. Wir waren vorher schon mit einem kleinen Van auf Tour. (lacht)

Da sind aber ein paar Sachen, die ich bereue. Das eine ist die Tatsache mit dem Image. Ich habe zu sehr an dieser Rock’n’Roll-Fassade festgehalten. Wie ich vorhin schon sagte, hat dies viel musikalisches Potential weggenommen. Damals dachte ich, es wäre meine wahre Überzeugung, aber habe nicht realisiert, wie unwichtig dieses Image eigentlich war.

Und zweitens: als wir unseren ersten Vertrag in Großbritannien unterzeichneten, zogen wir für zwei Jahre nach London. Das Label hätte uns eigentlich eine hundertprozentige kreative Freiheit geben sollen, was sie aber nicht taten. In unserem Vertrag gab es auch keinen Vermerk zur finanziellen Unterstützung. Jedes Mal, wenn wir zu irgendetwas nein sagten, meinten sie “Oh. Wir können eure Tour nicht bezahlen.” oder “Wir können dieses oder jenes nicht bezahlen.”. So konnten sie uns kontrollieren. Außerdem haben sie uns einen Stylisten gegeben. Von allen Stylisten auf dieser Welt war es ausgerechnet der von Kanye West. Wir sahen alle aus wie Figuren aus einem alten 80er-Jahre-SciFi-Film oder sowas. Es war echt schlimm. Zum Glück kamen wir aus dem Vertrag heraus und feuerten den Stylisten. (lacht)

Musikblog: Was war rückblickend der schönste Moment in den letzten Jahren?

Matt Shultz: (überlegt) Das weiß ich nicht. Es gab in der Zeit echt tolle Momente. Um ehrlich zu sein, glaube ich, dass es immer mal wieder einen Höhepunkt gibt. Für mich sind es mehr die Entdeckungen, die wir machen. Es ist nicht unbedingt ein herausragendes Konzert, sondern eher, etwas Neues zu lernen. So ist man in der Lage, für sich selbst eine neue Schicht der Kreativität zu enthüllen.

Musikblog: Wollt ihr noch mit jemanden Bestimmtes zusammenarbeiten?

Matt Shultz: Oh, ja! Das gibt es eine Menge Leute mit denen ich gerne arbeiten würde. Ich würde gern mal ins Studio mit Dave Sitek (TV On The Radio), Dangermouse oder James Murphy von LCD Soundsystem. Da gibt es echt einige, mit denen ich sowas gerne machen würde.

Musikblog: Vielen Dank für das Interview.

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