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Kein Mensch sollte anders behandelt werden – X Ambassadors im Interview

Die US-amerikanischen Indierocker von X Ambassadors sind eine verschworene Gemeinschaft. Die Brüder Sam und Casey Harris, sowie Noah Feldschuh und Adam Levin hingen schon im Buddelkasten gemeinsam ab. Seit 2010 musizieren die vier Unzertrennlichen nun schon gemeinsam. Und das mit wachsendem Erfolg. Ihr markanter Mix aus Rock, Hip-Hop, R’N’B und Blues schlägt in der Szene hohe Wellen. Das Debütalbum “VHS“, das in der Heimat des Quartetts bereits im Sommer 2015 die Top Ten der Billboard-Charts durchbrach, erscheint nun auch in Deutschland. In Berlin trafen wir uns kurz vor dem Release mit Schlagzeuger Adam Levin und plauderten über das Leben in einer glitzernden Blase, familiären Zusammenhalt und die Angst vorm Anderssein.

MusikBlog: Adam, ihr geht gerade ganz schön durch die Decke. Euer Debütalbum grüßte von Platz sieben der Billboard-Charts und ihr seid vor kurzem mit Muse unterwegs gewesen. Wie fühlt sich das alles an?

Adam Levin: Wir stecken noch mitten im Verarbeitungsprozess. (lacht) Es ist einfach unglaublich. Jede Woche kommt ein neues Highlight dazu. Man fühlt sich ein bisschen wie in einer rosaroten Blase. Alle klatschen uns auf die Schultern. Überall scheint die Sonne. Es ist cool, aber auch ein bisschen unheimlich.

MusikBlog: Ihr macht jetzt seit fünf Jahren gemeinsam Musik. Habt ihr euch das alles so vorgestellt? Oder fühlt ihr euch dieser Tage auch manchmal so, als würdet ihr überrollt werden?

Adam Levin: Es ist mal so und mal so. Wenn etwas Tolles passiert, und wir ein paar Tage zum Verarbeiten haben, herrscht kollektive Freude. Dann fühlt sich alles großartig an. Manchmal haben wir diese Zeit aber auch nicht. Dann wird es schon schwieriger. Ich meine, wir würden gerne alles auskosten. Die Tour mit Muse beispielsweise: Da braucht man eigentlich mindestens eine Woche zwischen den Shows, um auch nur annähernd zu begreifen, was da gerade passiert. Aber so läuft das natürlich nicht. Alles rauscht an einem vorbei: die fette Bühne, der Sound, die vielen Fans. Aber wir wollen uns nicht beschweren. (lacht)

MusikBlog: Ich habe letztens mit einem Songwriter aus England gesprochen, bei dem der Erfolg erst nach zwanzig langen Jahren an die Tür klopfte. Bei euch ging es wesentlich schneller. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Was meinst du?

Adam Levin: Naja, wir haben auch schon eine gewisse Entwicklung hinter uns. Der Erfolg kam jetzt nicht zwingend über Nacht, auch wenn es vielleicht den Anschein hat. Sicher, die großen Türen öffneten sich irgendwann plötzlich im Minutentakt. Aber vorher sind wir bereits durch viele kleinere Türen gegangen. Letztlich muss alles zusammenkommen: Bereitschaft, Durchhaltevermögen und natürlich auch Glück.

MusikBlog: Eure Debütalbum “VHS” erscheint jetzt auch in Deutschland. Als Kind der Achtziger musste ich beim Titel doch etwas schmunzeln. Eine Hommage an den DVD-Vorgänger?

Adam Levin: Ja, wobei es weniger um das System an sich geht. Es geht dabei vielmehr um Erinnerungen. Und da passte der Titel einfach perfekt. Wir alle sind mit VHS-Tapes aufgewachsen. Als wir Kinder waren, wurde vieles auf eben jenem System festgehalten. Unsere Eltern haben ständig Home-Videos angefertigt. Das Album ist auch so eine Art Home-Video geworden. Es ist ein sehr persönliches Album. Es geht hauptsächlich darum, wie wir uns als Band entwickelt haben. Wie wir zueinander stehen und was wir schon alles miteinander erlebt haben, sind wichtige und fundamentale Bausteine auf dem Album.

MusikBlog: Klingt nach Familie.

Adam Levin: Exakt. So fühlen wir uns auch; wie eine richtige Familie. Weißt du, wir kennen uns schon so lange. Das schweißt zusammen. In dieser Band ist niemand ersetzbar. Wir sind alle irgendwie auf einer sehr tiefen Ebene miteinander verbunden. Das wirkt sich natürlich auch auf unsere Musik aus.

MusikBlog: Apropos Musik: Die ist unheimlich facettenreich.

Adam Levin: Ja, das stimmt. Musikalisch ticken wir alle irgendwie anders. Das macht es aber auch so spannend. Jeder hat seine Vorlieben. Und gemeinsam versuchen wir dann, all die verschiedenen Puzzleteile zusammenzufügen. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Aber bisher haben wir uns noch immer auf ein Gesamtbild einigen können, bei dem sich keiner von uns großartig verbiegen muss.

MusikBlog: In eurem Vorzeige-Song “Renegades” geht es um Menschen, die es in ihrem Leben schwerer haben als andere. Euer Keyboarder Casey ist blind. Ist das auch “sein” Song?

Adam Levin: Ja, auf jeden Fall. Caseys Geschichte spielt eine große Rolle in dem Song. Aber es geht nicht nur um ihn. Der Song soll allen Menschen eine Stütze sein, die von der Masse als Außenseiter abgestempelt werden. Es geht um Mut, Kraft und Leidenschaft. Casey wurde in seinem Leben schon unzählige Male aussortiert, gehänselt und vom “normalen” Leben ausgeschlossen. Das sind natürlich tiefgehende Erfahrungen, die man mit sich rumschleppt. Wir haben das alles miterlebt. Vor allem aber natürlich sein Bruder. Sam stand Casey immer zur Seite. Er hat ihn aufgemuntert, ihm Kraft und Liebe gegeben und ihn immer wieder aufgebaut. Niemand sollte anders behandelt werden. Casey, und all die anderen Menschen da draußen, die mit Defiziten zu kämpfen haben, sollten vielmehr auf Händen getragen werden. Mitleid bringt diese Menschen nicht weiter. Sie müssen integriert werden und dabei das Gefühl bekommen, dazuzugehören.

MusikBlog: Wahre Worte.

Adam Levin: Die Menschen müssen einfach ihre Ängste vor dem Anderssein ablegen. Das ist der Schlüssel. Und wenn wir mit diesem Song einen kleinen Beitrag leisten können, dann ist das natürlich großartig. Ich meine, guck dir nur die Nachrichten an. Überall werden Menschen in die Ecke gestellt, die nicht der Allgemeinheit entsprechen. Das ist furchtbar, und eine Entwicklung, die uns große Sorgen bereitet. Jeder sollte sich dieser Tage bewusst werden, auf was wir alle mit dieser Entwicklung hinsteuern. In eine friedliche Zukunft jedenfalls nicht.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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