Jupiter Jones sind zurück – mit ordentlich Karacho und einer frischen Brise, die nach positiver Veränderung und Erneuerung duftet. Ihr inzwischen sechstes Studioalbum kredenzen uns die gebürtigen Eifeler mit einer überzeugenden Jetzt-erst-recht-Mentalität: „Wir können mit vollgerotzten Taschentüchern untergehen / Um dann mit brüllenden Fahnen wieder aufzustehen“.
„Brüllende Fahnen“ ist nicht noch ein weiteres Befindlichkeits-Pop-Album wie seine Vorgänger, es ist eine Ansage: „Die Textzeile unseres Titeltracks besitzt für uns etwas sehr Programmatisches. Wir möchten unsere Lust auf neue Stücke, auf eine ganz besondere Platte der Bandgeschichte mit Textmarker anstreichen“, äußern sich Jupiter Jones zur Videopremiere von „Brüllende Fahnen“ auf ihrer Homepage.
Und tatsächlich: Was Jupiter Jones da abliefern, hat Klasse; sie kreieren keine banalen Wohlfühl-Welten. Die Songs bieten den Gegenentwurf zu Stumpfsinnigkeit und Melancholie. Irgendwie haben sich Jupiter Jones eine wütendere, fast schon rotzige, Attitüde zu Eigen gemacht.
Eingefleischte Fans und alte Freunde sind die härtesten Kritiker und die werden in „Brüllende Fahnen“ definitiv keinen Jupiter-Jones-Aha-Moment erleben. Jupiter Jones haben ihren Namen beibehalten, das war es dann aber auch schon – Wiedererkennungseffekt Fehlanzeige! Im Endeffekt gilt es, das Ende der Ära von Jupiter Jones anzuerkennen und den Namen mit den zwölf Buchstaben zur Bezeichnung von etwas Neuem zu nutzen: für Jupiter Jones 2.0.
„Brüllende Fahnen“ trägt originell schräge Ansätze auf engem Raum und kann durch zündende Ideen punkten. Das Album entblößt sich seinen Hörern etwa durch den toxischen Post-Punk-Song „Ein bisschen Paranoia“, der nicht zuletzt durch die herrlich angenervte Art und keifende Stimme von Sänger Jörkk Mechenbier (Love A) getragen wird.
Ein sicherer Indie-Song mir Wortspiel-Künsten („Dann greif ich an“) wird abgelöst durch Kritik an rechtsgerichteten Parolen in „Intrigen, Intrigen“ (übrigens eine Verfremdung von einem alten Text von Hildegard Knef). „Faustschlag“ ist ein feuriger Song, der die alteingesessenen Fans ein wenig mit der Neuauflage von Jupiter Jones versöhnen könnte.
Die zwölf Songs der neuen Platte sind stimmig, verpuffen jedoch hier und da durch Songs wie „Herzen schlagen sich“, die die Schmerzgrenze zur Beliebigkeit überschreiten. Metaphorisch seichtes Beziehungstamtam bekommen wir auch in „70 Siegel“ auf die Ohren gedrückt. Gegen den Titelsong wirkt es blass und aufgesetzt.
Inhaltlich abgegrast kommt „Rückenwind-Gegenwind“ zum Beginn der zweiten Albumhälfte um die Ecke. Zum Abschluss liefert Jupiter Jones mit „Zugabteil“ jedoch etwas ziemlich Originelles ab.
2014 verließ Frontmann Nicholas Müller die Band aus gesundheitlichen Gründen – ein herber Rückschlag, da bis zu diesem Zeitpunkt vieles stimmte: Sound, Stimme, Texte. Jupiter Jones machten dann mit mäßigem Erfolg weiter, mit dem neuen Sänger Sven Lauer dümpelten sie auf Konzerten und Festivals als halbgare Kopie ihrer Selbst herum. Der Sänger, das ist die Seele einer Band. Und diese einfach auszutauschen ist eine harte Bewährungsprobe, die Jupiter Jones am eigenen Leib zu spüren bekam.
Die Platte ist Abbild dieser harten Zeit. Sie handelt von dem Anspruch, aufrecht durchs Leben zu gehen, von Berg- und Talfahrten, von der Suche nach einem gebürtigen Nachfolger für Nicholas Müller. Und den hat das Dreigespann aus Sascha Eigner, Andreas Becker und Marco Hontheim auch prompt gefunden.
„Brüllende Fahnen“ ist eine Übergangsplatte ohne Übergang. Denn den haben Jupiter Jones nicht nötig! Die Band hat ihr Rad komplett neu erfunden: adé Hochglanz-Schmuse-Pop, hallo k(n)eifender Weltschmerz. „Brüllende Fahnen“ ist das, was es uns verspricht zu sein: Auf sie mit Gebrüll!
Am Ende der Scheibe bleibt ein Kloß im Hals zurück: Da ist diese Kluft zwischen Bandname und Sound, die die alten Fans tief in der Magengrube zu spüren bekommen könnten. Beste Hausmittel dafür: Neuling sein oder Album in Dauerschleife reinziehen.