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Laura Gibson – Empire Builder

Wie könnte man sein 10-jähriges Jubiläum als Musikerin gebührend feiern? Man setzt noch einen drauf mit Solo-Album Nummer vier. Laura Gibson versteht es, zu kokettieren. 2014 Neuanfang in New York, alles auf eine Karte setzend – “Empire Builder” erblüht durch Gibsons längst bewiesene Stärke, spätestens seit ihrem künstlerischen Durchbruch mit dem dritten Album “La Grande” und Wohlfühlmomenten durch sonder- und wunderbare Melodien.

Es scheint ganz so, als habe sich die US-amerikanische Singer-Songwriterin, die übrigens auch gemeinsame Sache mit Mitgliedern von Death Cab For Cutie und The Decemberists macht, gewandelt. Zumindest dann, wenn man ihre Platten-Cover rein äußerlich betrachtet und vergleicht. Die im Einklang mit der Natur stehende Laura Gibson nun in gelber Bluse vor einer gelben Wand, posierend mit angeschrägtem Kopf und rot geschminkten Lippen – Naturmädchen versus Bohème-Großstädterin.

Als Laura Gibson für ihr Studium von Portland nach New York umzog, legte sie einen Teil der Strecke im Empire Builder zurück, einem Fernreisezug, der Chicago mit Seattle und Portland an der Westküste der Vereinigten Staaten verbindet. Und das ist auch ihr Albummotto,  mit “Empire Builder” einmal gefüht quer durch drei Zeitzonen und sieben Bundesstaaten reisen.

“Empire Builder” hat Gibson in einem Studio an der Küste Oregons aufgenommen. Ein Neuanfang in jeglicher Hinsicht. Auf Gibsons neuer Platte prangt in durchsichtigen Lettern: Ändere dein Leben! Und das am besten schon gestern und nicht erst morgen.

Das Album, vor allem der Titelsong, erzählt von Zelten, die endlich abgebrochen werden müssen, von der Sehnsucht, ein anderer Mensch zu sein, vom Zweifeln an sich selbst, von Entscheidungen, die es zu treffen gilt: „So hurry up and lose me, / hurry up and find me again.“ Laura Gibson kehrt mit ihrer neuen Platte ihr Persönlichstes nach außen.

Den Auftakt bildet “The Cause”, eines der besten Stücke der Platte: blechernes Schlagzeug, dramatisierende Streichmusik, zeitweise aufheulende Gitarren. Da tritt nur noch selten das stereotype Mimosentum des Folk an die Oberfläche.

Denn Mut hat Laura Gibson. Das stellt sie in Songs wie „Not Harmless“ mit viel Rhythmus, ein bisschen Lärm und kraftvoller Stimme unter Beweis. Sie kann sich emanzipieren von klischeehaften Reviews, die sie mit anderen Sängerinnen in eine Schublade packen wollen.

Der Titeltrack “Empire Builder” erzählt im dazugehörigen Video von eben dieser Fahrt, von Portland nach New York; eine wehmütige Reise auf fünf Minuten gerafft, die ganz schön an die Nieren geht. Das sind Widersprüche, die das Leben so schreibt: nicht allein sein im Alleinsein (“We are not alone / And we are more alone than we’ve ever been”).

Vom euphorischen Aufbruch, dem Optimismus, dass es an einem anderen Ort besser wird, davon erzählt uns der Song “Damn Sure”: halbwegs unfallfreie Trennung, dann Frisörbesuch, Namen ändern und doch wieder aneinander denken. Vergangenheit und Gegenwart, Sicherheit und doch Unsicherheit verschmelzen zu einem Schatten, dem wir unentwegt entfliehen wollen.

Insgesamt – außer vielleicht im countrylastigen Song “Two Kids” – bleibt Gibson doch eine Liedermacherin mit einer bewundernswerten inneren Ruhe, sanften Klängen und leise eingehauchter Romantik.

“Empire Builder” erzählt vom Alles-auf-Anfang-Trugschluss des Neubeginns. Zwar beschreitet Gibson musikalisch neue Fährten und kredenzt uns jede Menge Variation, besinnt sich aber schließlich doch auf ihr zaghaftes Gemüt.

Ein kleiner Schönheitsfehler drängt sich jedoch zum Ende des Albums auf: Dort, wo sich Gibson mehr Instrumente und ausgefeiltere Arrangements zutraut, wünscht man sich mehr Spannungsmomente. Viel Überraschungstamtam erleben wir schließlich doch nur in “Empire Builder”.

Aber das ist okay. Auf der Platte ist drin, was auch draufsteht: durch und durch Laura Gibson, demütig und die Ruhe selbst.

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