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Jambinai – A Hermitage

Man kann Metal durchaus auch mit Flöte spielen. Das ist nur eine der vielen Lehren, die man aus dem neuen Album von Jambinai ziehen kann. Das Trio aus Südkorea vereint auf ihrem neuen Album Postpunk und Riffs, die man eher aus den härteren Rockwelten kennt, mit traditionell koreanischer Folkmusik.

Es ist das Prinzip der Transponierbarkeit, das auf “A Hermitage” groß geschrieben wird. Auf dem Opener “Wardrobe” führt jedenfalls ein Banjo die polternden Hardcore-Riffs an, “Deus Benedict Tini” klingt wie die Synergie von Freejazz und entschleunigtem Metalrock. Die permanente Verschiebung der Klangkoordinaten macht den Reiz der Aufnahmen aus, die meistens zärtlich und klassisch im Sinne von symphonisch beginnen, um dann in gigantische Noise-Böen überzugehen – geht aber auch andersrum, wie das von Streichern untersetzte “Naburak” beweist.

Die Gruppe, die live zu fünft auftritt und via Facebook auf englisch wie auch in koreanischen Schriftzeichen kommuniziert, greift mit dieser Doppelbödigkeit aber auch implizit das Verhältnis von Tradition und Fortschritt, sowie dem von von  geschichtlich überlieferter und Pop-Musik im Zeitalter der Globalisierung auf. Das Interessante dabei ist, dass hier weder die Adoptionen von Hardcore und Stoner Rock-haften Riffs identisch mit der Machart der Originale wirken, noch das sogenannte Holzblasinstrument Siri, das auf “Hermitage” zentral angelegt ist, wie gewöhnlich gespielt wird. Das flötenhafte Bambusinstrument klingt vielmehr wie ein hektisches Saxophon und auch die zum Einsatz kommende Zither kommt hier alles andere als volkstümlich rüber.

Während die Konzeptkünstlerin Fatima Al Qadiri 2014 auf ihrem Album “Asiatisch” noch mit asiatischen Stereotypen spielte, werfen Jambinai diese in ihrer Konfrontation des Alten mit dem Neuen vollkommen über Bord. Das liegt nicht nur am eigenwilligen Gesang von Bomi Kim und Eunyong Sim, sondern macht sich am meisten in der Nummer “Abyss” bemerkbar, in der koreanisch vorgetragener Rap für eine Ästhetik des Unbehagens sorgt.

Vielleicht liegt das aber auch an der generellen Magie einer fremden Sprache, deren Wörter man zwar nicht kennt, zu der man aber eine durchaus intuitive Beziehung aufbauen kann. Und tatsächlich: Besagter Song bedient sich der Umkehrung eines früheren Militärliedes, um auf diese Weise nicht, wie in der ursprünglichen Bedeutung, dem König Respekt zu huldigen, sondern sich mit den gesellschaftlich Schwachen und Unterprivilegierten zu solidarisieren.

Während “For Everything That You Lost” dank gediegener Klavierflächen noch eine gewisse Fragilität zulässt und ohne brachiale Gitarrenstürme auskommt, dominiert auf dem restlichen Material ein eher Noise-affiner Gestus, der häufig äußerst brutal umgesetzt wurde und der sich die sanften Melodie-Ansätze so recht schnell und unbarmherzig Untertan macht. Ein organisches, inspirierendes und vor allem arg beanspruchendes Album. So hätten vielleicht The Mars Volta geklungen, wenn sie in Seoul groß geworden wären.

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