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Bear’s Den – Red Earth And Pouring Rain

Als Bob Dylan beim Newport Folk Festival 1966 seine E-Gitarre einstöpselt und seinen Folkwurzeln Triebe in Richtung Rock entlockt, tobt das Publikum – und zwar nicht unbedingt vor Freude. Fünfzig Jahre später sind der Mann und sein Plug-In-Moment gleichermaßen Legende und es erscheint aus heutiger Sicht fast absurd, welche Aufregung ein bisschen Verstärkung und Verzerrung so auslösen können.

Aber Geschichte wiederholt sich bekanntlich und die jüngste Inkarnation des Folk-Rock-Streits ist noch nicht lange her: Als Mumford & Sons im letzten Jahr auf „Wilder Mind“ ihr Banjo einmotten und auf elektrifizierten Breitwand-Arenarock umsteigen, hat das zwar bei weitem nicht diesselbe musikgeschichtliche Bedeutung. Die Judasrufe sind aber ähnlich laut und hallen in verdienten Verrissen und berechtigten Coldplay-Vergleichen nach.

Und nun? Kommen die Mumford-Landsleute und Genrekollegen Bear’s Den mit ihrem zweiten Album um die Ecke und haben aus der Geschichte nichts gelernt. Statt die Möglichkeiten der Elektronik für einen Tritt aufs Gas zu nutzen, gehen Frontmann Andrew Davie und seine Kollegen Kevin Jones und Joey Hayes den umgekehrten Weg:

Soundscapes aus E-Gitarren und Synthesizern regieren Songs wie „Dew On The Vine“. Die auf dem Debütalbum „Islands“ noch so soundprägenden Akustikgitarren und Banjos sind weitgehend passé oder verschwinden in der Klangwolke. In der Folge wandert der melancholische Folkrock der Briten mehr und mehr in Richtung belangloser Schnarchnasigkeit.

Die üppigen Hallräume, durch die Bear’s Den ihre Songs schon immer gern schweben ließen, sind diesmal geradezu unendlich – die Achtziger lassen grüßen. Auf die bezieht sich das Trio auch maßgeblich, wenn es seinen neuen Sound beschreibt: Fleetwood Mac, die Eagles und Bruce Springsteen sollen Pate für das Album gestanden haben.

Nur schade, dass sich das weniger im zweifellos nachahmenswerten Songwriting äußert, sondern vor allem im streckenweise arg gewöhnungsbedürftigen Klangbild: „Emeralds“ etwa vereint mit Plastikschlagzeug, E-Gitarren wie aus der Bierwerbung und Synthesizerkleister gleich drei Soundsünden, die auch Davies’ Charakterstimme nicht mehr ausbügeln kann. „Auld Wives“ mit seinen klinischen Drumcomputer-Sounds und Vocoder-Stimme ist kaum besser.

Am besten funktioniert die Neuausrichtung daher, wenn der Gesang im Zentrum des Songs steht und der Rest zur Randerscheinung wird: In „Roses On A Breeze“ und „Love Can’t Stand Alone“ kann sich Davies in unaufdringlichen Klangschwaden suhlen, was der introvertierten Stimmung durchaus zuträglich ist.

Trotzdem: Noch schlüssiger klingt das alles, wenn, wie in „New Jerusalem“ oder zu Beginn von „Greenwoods Bethlehem“, schlichte Akustikgitarren und sanfte Trompeten die Begleitung übernehmen. Dass „Red Earth & Pouring Rain“ in fünfzig Jahren als dylanesker Meilenstein anerkannt werden wird, ist entsprechend unwahrscheinlich: Statt zukunftsweisend mit der Elektronik umzugehen, zitieren sich Bear’s Den lieber durch fragwürdig eingesetzte Versatzstücke der Vergangenheit – und verlieren sich dabei ein Stückweit selbst.

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