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Calexico – Live im GeyserHaus, Leipzig

Großer Bahnhof gestern Abend im Leipziger Norden. Das GeyserHaus, sonst eher der Underdog unter den Spielstätten der Stadt, hatte mit Calexico Ikonen völkerverbindenden Sounds auf ihre Parkbühne geholt.

Nicht verwunderlich also, dass reichlich Publikum zum Auftritt im Grün des beschaulichen Wohngebietes erschien, bestehend zu weiten Teilen aus mit den Frontmännern Joey Burns und John Convertino gereiften und in die Mittelschicht diffundierten Menschen.

Wer zeitig gekommen ist, hat nichts falsch gemacht, bereits halb acht erscheinen Calexico auf der Bühne und erobern mit „Coyoacán“ ihre Gäste im Handstreich, um anschließend mit „Falling From The Sky“ direkt den nächsten Song ihrer aktuellen Platte „Edge Of The Sun“ nachzulegen. In der Folge orientiert sich die Dramaturgie des Sets an einer Mischung aus Songs davon und einen Auszug aus dem umfangreichen Fundus ihrer vorherigen Alben.

Mit einem stetigen Wechsel aus weitschweifigen Americana- und schmissigen Latino-Mariachi Klängen verwandeln sie die bis dahin dem Sommerfest einer Kleingartenkolonie gleichende Stimmung in eine Fiesta auf einem mexikanischen Dorfplatz.

Calexico sorgen bei den melancholischen Stücken für tiefe “weißt-du-noch-damals”-Blicke von anwesenden Paaren und dafür, dass spätestens bei „Cumbia De Donde“ die ersten Bewegungsenthusiasten vergessen haben, wie sie schon im Latein-Tanzkurs mit zwei linksherum eingesetzten Beinen kämpften.

Der Sound ist für ein Open-Air Konzert sehr präzise, die Bläser pusten ins Ohr wie eine frische Brise durch die Schwüle der einbrechenden Nacht, die Griffbretter der Gitarren quietschen, jedes Klopfen auf die Resonanzkörper der Gitarren ist spürbar.

Atmosphärisch dicht lässt der von Covertinos beeindruckendem Schlagzeugspiel zusammengehaltene Vortrag keine nennenswerten Längen zu, erscheint jedoch an manchen Stellen ein wenig zu routiniert.

Ein leutseliger Joey Burns hat das Auditorium im Griff, leitet gemeinschaftliche Klatscheinlagen an, plaudert über den Charme der restaurierten Gebäude im Herzen der Messestadt und singt anschließend in „Service And Repair“ über Geisterstädte ähnelnden amerikanische Stadtkerne.

Mit dem furiosen „Crystal Frontier“ verabschieden sich die Musiker kurz, um sich in der postwendend folgenden Zugabe in einen Rausch zu spielen, bei dem vor allem Bassist Scott Colberg zu Hochform aufläuft.

Damit nicht genug, für die zweite Rückkehr haben die Herrschaften noch etwas Besonderes im Gepäck: eine grandiose Version von „Bigmouth Strikes Again“ von Morrissey und seinen ehemaligen Kollegen von The Smiths verzückt die begeisterten Zuhörer.

Noch ein drittes Mal kommen Burns und Kollegen zurück, ein weiteres Ständchen, eine tiefe Verbeugung und das Versprechen, nach Leipzig zurückzukehren folgen, dann endet der Auftritt werktätigen-freundlich kurz nach halb zehn.

„Wir wünschen einen unvergesslichen Abend mit Calexico“ stand an einer Bratwurstbude geschrieben. Ob er unvergesslich bleibt, wird sich zeigen, auf jeden Fall war er nachhaltig und könnte am heutigen Freitag dazu führen, dass Ärzte während der Visite noch mit den Fuß wippen, andere im Meeting in die Weiten staubiger Highways entgleiten und beim Mexikaner kein freier Tisch mehr zu bekommen ist.

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