„Wenn man nicht nach fünf Sekunden unerschütterlich erkannt hat, dass es ein Song von AC/DC ist, ist es kein Song von AC/DC“ philosophierte einst Angus Young über das Corporate Design seiner Band. Was natürlich kein Alleinstellungsmerkmal ist, schließlich konnte dies auch Modern Talking von sich behaupten, im Indierock-Universum trifft das aber ganz sicher auf Dinosaur Jr. zu.
Auf ihrem neuen Album „Give a Glimpse of What Yer Not“ braucht es keine zwei Sekunden, um klar zu stellen wer hier am Werk ist. Und wenn J.Mascis im Opener „Goin Down“ quengelt „Are you with me..?“ ist das nicht nur für die, die seit den frühen Heldentaten „You`re Living All Over Me“ und „Bug“ an der Seite der Band stehen, eine rhetorische Frage.
Ihre Verehrung für die drei Musiker bekam keine Delle als das zweite Alpha-Männchen, Lou Barlow, nach intensiven Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Notwendigkeit langer Gitarren-Solis sich mit J.Mascis überwarf, und der später auch Drummer Murph den Stuhl vor die Tür setzte, um das Tafelsilber vorübergehend allein zu verwalteten.
Nach ihrer Reunion 2005 in Originalbesetzung klangen die folgenden Veröffentlichungen, als hätte es nie einen Bruch im Bandgefüge gegeben, allesamt hatten die Platten nichts von ihrer Power eingebüßt; mit denen konnte in den frühen Neunzigern bestenfalls die „Copper Blue“ Scheibe von Sugar Schritt halten.
Dass es zwischen den Mitgliedern einer Band nicht unbedingt menscheln muss, um großartige Musik zu machen, bewiesen der wortkarge J.Mascis, der dafür umso gerne plaudernde Lou Barlow und der fleischgewordene Drumcomputer Murph auf ihren fulminanten Konzerten im Frühsommer diesen Jahres. Was live begeisterte, funktioniert auch 2016 von der Konserve.
Dinosaur Jr. verbiegen sich auf dem elften Studio-Album selbstverständlich nicht. Warum auch? Sie klingen so, wie sie klingen müssen. Druckvoll, lärmig, eingängig, rockig, poppig wie es bereits die Album-Collage „Solo Extractions“ ankündigte.
Barlows Bass wummert tief, Murph trommelt, als ob es kein Morgen gäbe, der begnadete J.Mascis spielt Riffs, wie nur er sie spielen kann, dazu sein Gesang, der nicht nur nörgelig, sondern auch extrem melodisch ausfällt.
Die Hooks von „Tiny“ weigern sich ebenso hartnäckig, die Gehörgänge zu verlassen wie die von „Good To Know“, ganz zu schweigen vom Gitarren-Solo im Verlauf von „Knocked Around“, während „I Walk For Miles“ in bester Post-Grunge Manier über die Tonspuren schleift.
Die Songwriter Qualitäten des Bandleaders scheinen neue Höhen zu erreichen. Wie meist, bekommt auch Lou Barlow (inzwischen mit ähnlicher Frisur wie Slash) seine 2-Song Plattform: „Left/Right“ und „Love Is…“ heißen seine Stücke, die sich nahtlos einreihen, und in denen sein Kollege tatsächlich seinem Wunsch folgte, ausnahmsweise nicht die Gitarre, sondern den Bass zu bedienen.
Wie Grün sich die Protagonisten sind oder nicht, kann angesichts einer Platte wie „Give A Glimpse Of What Yer Not“ egal sein, Dinosaur Jr. waren, sind und bleiben mit ihrer Schrulligkeit ein Fels in der Indierock Brandung.