Das Cover des vierten White Lies-Albums ziert die Vogelperspektive auf ein Labyrinth. Man muss erstmal schauen, wo es reingeht, bevor man sich vergewissert, wo und ob man überhaupt wieder rauskommt.

Auch der Weg der Band ist offen, verwinkelt, alles andere als eindeutig. Alles hat mit Postpunk angefangen, der Band sprach man stilistisch sogar gruftig-suizidale Züge zu, auf einmal wurde es dann romantisch und plötzlich öffnete man sich für den Pop.

Trotz vieler Irr- und Umwege gibt es bei den White Lies aber eine graduelle Konstante: Der Klang ist über die Jahre immer weichgespülter geworden. Das gab aber nie Anlass zum Ärger. Vielmehr gewann man bei dem Trio aus London den Eindruck, dass sich die Band immer mehr dem eigentlichen Kern ihres Schaffens annäherte, der da wäre: Gitarren, die keine Scheu vor Pop haben, sich von den Joy Division-Referenzen emanzipieren und für Songs über Liebe eingesetzt werden wollen.

Mit “Friends” sind die Jugendfreude endgültig im Synthiepop angekommen. So stark klang die Band noch nie nach Stadion. Und das, obwohl man auf “Friends” die Rockhymnen vergeblich sucht – kein zweites “To Lose My Life”, keine Nachkommenschaft von “Bigger Than Us”.

Das liegt daran, dass die Gitarren eine Spur zurückgehaltener Einsatz finden und das Keyboard nun absolut gleichberechtigt zu sein scheint. Die Achtziger waren schon immer wichtigste Dekade für die White Lies – doch jetzt sind die Ahnen nicht mehr Joy Division und die Shoegaze-Gallerie, sondern eher Toto und The Police. Letzteres wird vor allem im neo-romantischen “Summer Didn´t Change A Thing” deutlich.

Das Xylophon-Synthie in “Don´t Want To Feel It All” wäre auf dem Vorgänger ebenfalls eine Spur zu fröhlich ausgefallen, im flüssigen, nie rockistisch ausfallenden Gesamtbett von “Friends” findet es sich hingegen perfekt eingebettet.

“Friends” wagt mehr Glitzer als Nebelmaschine, will mehr Tasten als schwere Verstärker. “Swing” klingt wegen seiner Streicher-Keyboards nicht zuletzt nach den Editors, auch wenn vermutlich Depeche Mode Pate für den melancholischen Midtempo standen.

Auch wenn das Setting schlanker geraten ist, der Kummer von Harry McVeigh hingegen ist nicht gewichen. Das sollte mittlerweile auch klar sein: Wenn die White Lies über Liebe singen, dann ist der Zweifel hier ein ständiger Begleiter. Und so zeugt “Friends” an vielen Stellen davon, dass die Liebe eben wie ein Labyrinth sein kann, Ein- und Ausgang ungewiss.

“I need a little quiet to get things clear”, heißt es an einer Stelle. McVeigh sucht die Distanz. Von “Friends” wünscht man sich vorerst keine.

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