„Greatest Hits“ im Haus der Kunst, eines der besten Konzerte 2015. Alle haben getanzt und mitgesungen, bei „Haus der Lüge“ ist der Saal explodiert. Und das Set jetzt sitzend in einem Konzertsaal?

Entschuldigung. Nicht in „einem“, in dem Konzertsaal. Wie schwer zu überlesen war, ist die Elbphilharmonie FERTIG. „Die beste Akustik Deutschlands“, „Wahrzeichen von Hamburg“, „Tempel der Musik“, sogar „Deutschlands Freiheitstatue“. Wie wurde dieses leicht überteuerte Meisterwerk nicht schon alles genannt.

Dieses Denkmal wird jetzt, wie eine gute Anlage, intensiv eingespielt. Was liegt da näher, als dem Reiz der Ironie nachzugeben. Einstürzende Neubauten loten die Abgründe zwischen genialer Tonkunst und akustischer Schmerztoleranz aus.

Ein Clash von Kulturen. Neubauten Publikum, schwarz, freakig, bunte Haare, oft in die Tage gekommen wie die Band. Daneben, wenn auch in der Minderheit, Pullunder, Anzüge, Loubutins und sogar ältere Damen mit Gehhilfe. „Der Laustärkepegel der Darbietung heute wird etwas höher“, bemühtes Personal verteilt Ohrstöpsel. „Nein Danke, wir mögen das“.

Ein Plakat liegt am Bühnenrand: „Wer sich am kommerziellen Musikgeschmack orientiert, dient der Reaktion“. Erfrischende Ironie für ein Konzert im Denkmal der Kosten, Tickets gingen online für bis zu 400,- EUR weg.

Ruhiger Einstieg mit „The Garden“, Alex Hacke geht trotzdem ab, als wäre es schon laut. Also alles wie immer? Mitnichten. Blixa hat Schuhe an, Publikum sitzt, das Klicken von Fotoapparaten stört, es schwappt kein Bier. Die Stimmung ist schlichtweg erhaben.

Blixa Bargeld, gut gelaunt wie noch nie, eröffnet den Abend mit subtilem Humor. Das „Ensemble Einstürzende Neubauten…präsentiert Werke aus den letzten Jahrzehnten des letzten Jahrtausends…auf historischen Instrumenten“.

Und dann „Haus der Lüge“! Das ist kein Kuschelabend, das ist „Greatest Hits“! Gefolgt von den meisten Stücken der gleichnamigen Doppel-LP. Die Auswahl ehrt die musikalische Komplexität der Band genauso wie die akustische Extravaganz der Location. Dynamik ist alles, hier gibt es keine Kompression wie auf CD. Der Sound ist omnipräsent.

So konkret aufgelöst war die Musik von Neubauten noch nie. Bei „Nagorni Karabach“ sind Alex Hackes nackte Füße auf der Holzbühne hörbar. Jedes „Instrument“ wird multidimensional. Die Notfalldecke wird körperlich. Das Vibrafon aus Baumarktröhren, Kanister, Plastiktonne, Stahlfedern, der sonstige Stahlschrott und vor allem die Flugzeugturbine.

Alles greifbar, identifizierbar. Alex Hacke’s Bass voluminös, treibend dominant. Blixa’s kreischende Schreie an der Grenze zur unerträglichen, betörenden Intensität.

Zerstörerisch rieseln die Metallteile bei „Unvollständigkeit“ herab, Finger stecken jetzt in Ohren. Der Rest vom Publikum zappelt, sitzen kann anstrengend sein.

Alles perfekt choreografiert, keine Pannen. Fleißige Bienchen bauen die Bühne zwischen jedem Stück um.

„Befindlichkeit des Landes“ – „..die neuen Tempel haben schon Risse, künftige Ruinen…“. Seriös bleiben geht nicht, alle kichern. Befreiend menschlich in der Kathedrale der Vernunft.

„Silence Is Sexy“ ist ein Highlight. Das Knistern der Zigarettenglut füllt den kompletten Raum. Die Stille im Stück wird ohrenbetäubend. Würde nicht eine Tür zufallen.

Vorbei, niemand kann sitzenbleiben, das Publikum tobt wie gewohnt. Bei dem Applaus bräuchten wir Ohrenstöpsel! Nach der Zugabe geht das Saal-Licht an. Niemand steht auf. Leiser wird’s auch nicht. Also Licht wieder aus.

„Salamandrina“, wie konnte ich das Stück so lange übersehen? „Redukt“, nein „Reeee-DUKT!!!“ Aus. Was für ein Abschluss.

Neubauten in der Elphi? Wer sonst, die gehören da hin. Auf dieser Bühne ist Blixa in seinem Element. Die tolle Akustik? Verdammt, Ja!! Habe diese Musik in 26 Jahren noch nie in solch subtiler Intensität erlebt.

Das Publikum? Die Ebenen unter einem unisono mit dem Kopf nicken zu sehen, unbezahlbar!

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