Two different shades of black.

Die gemeinsame EP „The Time Between US“ ist Anlass für Emma Ruth Rundle, mit Jaye Jale durch alle Lande zu ziehen. Drei Monate on the Road, Abschluss in der wunderschönen, stuckverzierten Prinzenbar in Hamburg.

Die schier unendliche Masse an Effektpedalen auf der Bühne lässt die Beschreibung „Folk“ an der Türe ironisch wirken. Wenn eines klar ist – akustisch wird das nicht.

Die vier Herren von Jaye Jayle kommen leger rein, schwarze Sakkos, die Haare seit Tourbeginn nicht gekämmt. Super entspannt werden gemütlich die Bierflaschen geöffnet und in Stellung gebracht, die spielen nicht zum ersten Mal in ihrem Leben.

Haare und Bart reichen beide gleich lang bis zum Bass. Diesen intensiv pointiert zu schlagen anstatt zu zupfen, bestätigt die Annahme – Folk gibt’s heute nicht. Über den Bass legen sich düsterschwarze, eng gewebte Drones, die entfernt an Jim Jarmusch (als Musiker) erinnern.

Minimalistisches Schlagwerk im Stile einer Marching Band, Evan Patterson’s Gitarre hält die Herkunft aus den nördlichen Südstaaten in Erinnerung. Seine Stimme hat einen Touch von alten Sisters Of Mercy und einen Schuss Joy Division.

Die vier spielen intensiv mit der Dynamik, monotone minimale Ruhe, der Schlagzeuger träumt mit geschlossenen Augen. Sekunden später geht es wieder richtig los, als gäbe es kein Morgen mehr.

Der Applaus nach dem ekstatischen Abschluss gebührt keiner Vorband, der ist einer Hauptband würdig und verlangt nach Zugabe. Es gibt in Louisville also mehr als Bourbon, Pferderennen und KFC.

Die Umbaupause fällt minimal aus, fast alles bleibt auf der Bühne. Becken werden getauscht und Emma stimmt gemütlich ihre Gitarren.

Emma, Haare im chaotischen Dutt, steht alleine auf der Bühne. Die akustische Gitarre klingt nicht akustisch, da sind einige Effekte dazwischen. Der ganze Körper angespannt, fast verkrampft bis auf den letzten Muskel, ihr Absatz durchschlägt fast die Bühne.

Unendlich tiefe emotionale Intensität durchdringt den Raum, ihre Blicke durchbohren die erste Reihe. Harmonischer Gesang wechselt mit artikulierten Schreien, Ruhe wechselt mit bedrohlichen Ausbrüchen. Das Publikum verlangt einen dritten Solo-Song.

Bekannte Protagonisten betreten die Bühne: Gitarre und Bass behalten ihre Besetzung, Schlagzeuger wechselt ans Keyboard, nur die Drums neu besetzt. Das Bierflaschen-Ritual wiederholt sich in gleicher Entspanntheit, gespannt ist diesmal das Publikum.

Mit Begleitung wird es nicht nur düster schwarz, der Sound schluckt jedes Licht. Leider kriegt es der Mischer nicht hin, ihre Stimme versinkt viel zu oft in den Gitarren. Diese bauen eine Wand, die so manches Konzert von The Kills in ihre Schranken verweist.

Emma öffnet ihren Dutt, Haare wallen. Wie der Bassist schottet sie sich bei den Jam-Anteilen ab hinter einem Vorhang aus Haaren. Die Drums komplex und brutal hart zugleich. Die Wand ist nicht stabil genug, der Keyboarder nimmt noch eine Gitarre, es verdichtet sich zu einer wahren Lärm-Orgie. Sie ist nicht mehr Solo-Künstlerin, das ist eine ernst zu nehmende eingespielte Band.

Zur physischen Erholung wird es etwas ruhiger, aber mitnichten harmloser. Ultratiefe Drones begleiten Emmas Hauchen, das bohrt sich in den Bauch wie die 30cm Stahlnagel-Tattoos auf ihrem Unterarm. Dann nochmal kurz Vollgas zum Aufwachen und Ende des Sets.

Alle umarmen sich auf der Bühne, Tränen in den Augen. Man merkt, jetzt gerade geht eine intensive Zeit zu Ende. Drei Monate Tour sind vorbei. Erleichtert, aber doch tief berührt von dem Moment.

Nach adäquatem Applaus kommt sie wieder allein auf die Bühne, „Wo ist meine akustische Gitarre?“. Schon weggepackt, damit sie nicht stört. Die erste Ansage des Abends überbrückt das Suchen.

Es folgt „Real Big Sky“, minimaler als auf der Platte, dreckiger, schrammeliger, ungenauer, aber viel intensiver. Ein Wunder, dass die Bühne die arrhythmische Behandlung ihrer Absätze aushält.

Das Ende hinterlässt ein Vakuum. Frenetischer Applaus, aber kein Applaus nach Zugabe. Nach dem Stück gibt es nichts mehr, das ist jedem im Publikum klar.

Eine Antwort

  1. Hi, die Review triffts ganz gut, ich war leider etwas enttäuscht von diesem Konzert. Ihr Gesang war leider zu sehr in den Hintergrund gemischt, die Band etwas leiser und der Gesang etwas lauter, dann wäre es sicherlich besser für alle gewesen.
    Aber so konnte man leider nicht viel von den Texten mitkriegen, was irgendwie schade war.
    Dabei war der Anfang und das Ende eigentlich sehr gelungen, dass war dann auch der einzige Teil des Abends, der das Wort Folk noch verdiente. Ansonsten fand ich den 1. Teil des Konzerts mit Jaye Jale besser. Der Noisepart von Emma Ruth Rundle hat mir leider nicht so gefallen, da bleibe ich lieber bei der CD, da versteht man dann jedenfalls die Texte und die Feinheiten der Songs.
    Außerdem fand ich den Auftritt etwas kurz. Ok, manchmal ist weniger mehr, aber hier war fast nichts und so war dieses Konzert heute eher enttäuschend für mich.

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