Zurück zu den Wurzeln: Weg mit dem Künstlernamen und deutschsprachige Lieder statt englische. Amanda, früher bekannt als Rapperin She-Raw, veröffentlicht ihr erstes Album „Karussell“ unter bürgerlichem Namen. Mitgewirkt haben unter anderem Sido, Mark Forster und Felix-Jaehn-Produzent Michael Geldreich. Wir sprachen im Interview mit der Sängerin über ihre Musik-Sozialisierung, warum sie jetzt auf Deutsch rappt und Frauen im Hip-Hop.
MusikBlog: Amanda, du bist aufgewachsen in einer musikalischen Familie. Wie groß ist der Druck, dem gleichzutun?
Amanda: Der Druck war eigentlich gar nicht da. Natürlich haben sich meine Eltern, insbesondere meine Mama, gewünscht, dass ich mal in ihre Fußstapfen trete und auch vorm Mikrofon stehe. Aber bei mir war es früher ganz anders. In der Teenager-Zeit war ich super rebellisch und wollte mit Musik so gar nichts zu tun haben.
Dass meine Eltern so musikalisch waren, war mir voll peinlich. Ich dachte mir dann einfach nur „Oh nein, ich will nicht Teil der Kelly-Family sein!“ (lacht) Aber ich kam quasi nicht drum rum, weil bei uns einfach von morgens bis abends Mukke lief, gesungen wurde und Gitarre und Klavier gespielt wurden. Mir blieb nichts anderes übrig am Ende.
MusikBlog: Bleiben wir ein bisschen bei der Kindheit: Sabrina Setlur gilt als die erfolgreichste Interpretin des deutschsprachigen Raps. Auch für dich?
Amanda: Ich habe mir damals die Single „Du liebst mich nicht“ von Sabrina Setlur gekauft – als es noch WOM gab, World Of Music! (lacht) Ich habe dann eigentlich von morgens bis abends vorm Spiegel gestanden und mitgerappt, alles. Ich glaube, ich könnte sogar noch die erste Strophe zusammenkriegen. (rappt die ersten Songzeilen)
MusikBlog: Großer Fan also. Dabei wirst du jetzt selbst als die deutsche Lauryn Hill oder Missy Elliott bezeichnet…
Amanda: Ich habe deswegen irgendwann auch einfach angefangen, deutsche Lieder zu machen, weil ich wollte, dass die Leute mich verstehen und nicht einfach sagen „Yo, sie ist wie Missy Elliott“. Ich will ja auch, dass sie wissen was ich sage.
MusikBlog: Deswegen der Wechsel zur deutschen Sprache?
Amanda: Genau. Ich habe am Anfang ja auf Englisch gesungen, einfach weil ich so erzogen worden bin, immer mit englischer oder amerikanischer Musik. Meine Mutter hat auch immer Englisch gesungen. Deswegen hatte ich mit deutscher Musik gar nichts zu tun und konnte mich nicht so krass damit identifizieren. Das hat sich irgendwann geändert, als ich Deutsch-Rap entdeckt habe und dachte „Ach Mensch, gibt ja auch coole Mukke auf Deutsch!“ (lacht)
MusikBlog: Fing so alles mit der Musik an?
Amanda: So mit 17-18 habe ich bewusst angefangen, Musik zu machen und Songs zu schreiben. Ich hatte dann auch schon Bock und mir hat das alles Spaß gemacht. Ich habe damals beim Radio gearbeitet und nur nebenbei Musik gemacht, so ein paar Auftritte immer mal wieder gehabt.
Aber natürlich geht das nicht so mit einem Vollzeitjob eine große Musikkarriere zu schwingen. Das heißt, es plätscherte die letzten Jahre alles so ein bisschen vor sich hin und Ende 2015 habe ich den Entschluss gefasst „Ey ich kündige, ich höre beim Radio auf!“ und habe dann versucht, komplett ein Album zu machen, aus dem Nichts etwas auf die Beine zu stellen und Halleluja, es hat geklappt! (lacht)
MusikBlog: Stichwort erstes Album „Beauty And The Beats“: Wie ist das so, als Beauty in einer männerdominierenden Branche?
Amanda: Boah, man sieht sich ja immer anders, als andere Leute einen sehen. Ich finde mich gar nicht so krass schön. (lacht) Ich war ja auch nicht immer so. Bis vor 10 Jahren habe ich noch so 90 kg gewogen. Ich hab dann einfach auch voll krass abgenommen und vielleicht fällt es den Leuten, die mich jetzt die letzten Jahre begleitet haben, einfach nur extrem auf, dass ich auf einmal 20 kg weniger wiege. Vielleicht sagen sie deswegen jetzt alle „voll schön“.
Aber ich wurde eigentlich nie nur auf mein Aussehen reduziert. Erstens, weil ich nicht so geil aussehe und zweitens, weil es schon um die Skills ging. Ich kenne aber auch ganz viele andere Mädchen, die gerappt haben und immer meinten „Woah, ich wurde gedisst und der hat wieder das über mich gesagt.“ Das hatte ich nie. Ich habe Features mit gefühlt jedem Rapper in Deutschland gemacht.
Ich glaube mal, bei mir hat einfach alles gepasst. Die fanden mich einfach irgendwie cool und ich glaube, der Rap hat auch einfach voll viel für sich gesprochen. Also das kann man ja nicht dissen….ich kann ja rappen. (lacht) Aber keine Ahnung, ich weiß nicht, wieso wir Frauen es immer so schwer haben. Ich habe es bei anderen gesehen, hatte selbst aber damit nie so Probleme.
MusikBlog: Nicht mal als She-Raw?
Amanda: Ne, nie. Ich wollte mich anfangs ja eigentlich „Battlecat“ nennen, weil ich ein richtig krasser He-Man Fan bin! (lacht) Ich bin ein 80s-Baby und damit aufgewachsen He-Man zu gucken, immer Samstag morgens im Fernsehen! Und He-Man hatte eben diesen krassen Tiger, Cringer. Wenn Prinz Adam dann immer zu He-Man wurde, dann wurde Cringer zu Battlecat.
Ich fand diese Katze einfach immer so stark, so mächtig! Deshalb dachte ich „Ey geil, das ist auch so schön weiblich, so Battlecat, das läuft!“ (lacht) Aber dann hieß leider schon ein Typ so. Der hat aber auch alle Berechtigung dazu, der heißt nämlich David Battle. Dann darf der sich auch schon Battlecat nennen. Und She-Raw hat ja dann auch ganz gut funktioniert, anderer Comic dann einfach!
Ende letzten Jahres habe ich mir aber dann gedacht „Eh, kompletter Lebenswandel. Jobsituation verändert sich. Ich habe ein neues Team, neues Umfeld, Major-Deal.“ Bin ich einfach ich. Ich bin Amanda, that’s who I am. Und so machen wir das jetzt! Amanda 2.0.
MusikBlog: Erste Single als Amanda „Ich kann nicht schlafen“: „Und jetzt da du hier nicht bist/Merk ich, du bist wichtig“, ist das gerichtet an eine beziehungsunfähige Generation?
Amanda: Boah ey, das ist wirklich traurig! Ich mein, ich sehe es ja auch. So viele Freundinnen von mir sind Single und mein ganzer Freundeskreis hat Probleme! Ich weiß auch nicht, wann dieses romantische „Männlein und Weiblein, heiraten und Kinder kriegen“ verloren gegangen ist.
Aber das ist schon echt heftig, wie schnelllebig das heutzutage ist und alle nur auf Spaß aus sind. Keine Ahnung, was der Grund ist. Vielleicht ist es das Internet. Vielleicht ist es, weil jeder Zugang zu allen möglichen Sachen hat und dann übertragen sie es ins echte Leben und denken sich „Hier geil, jetzt geh ich durch alle Betten durch!“, weil geht ja schnell. Aber eins muss ich sagen: So einen will ich nicht! (lacht)
MusikBlog: Deswegen in „Meine Frau“ dann lieber die „BFF“ (Best Friends Forever) besingen. Dabei stehen doch sicher viele andere Freunde zur Auswahl.
Amanda: Lustig, das Gespräch hatte ich eben im Auto. Wie sich manche Leute so aus der Versenkung wieder melden, so irgendwelche F-Freunde auf einmal von vor über 100 Jahren! (lacht) Die kommen dann mit „Ich wusste immer, dass du es schaffst!“.
Es melden sich zum Beispiel auch Leute, mit denen du eigentlich im Streit auseinandergegangen bist. So irgendwelche Leute, auf die man eigentlich gar kein Bock mehr hat und die schreiben einem dann so, als ob nie irgendwas passiert ist „Lass doch mal Kaffee trinken gehen“. Aber es ist nicht schlimm, mich nervt es auch nicht. Das ist wahrscheinlich schon alles exciting, was ich so mache, für die Leute. Und da kann ich es auch mal verstehen, wenn jemand daran Teil haben will und dann kommt mit „Hey yo, was machste, was geht!“
Ich habe aber ein ganz gutes Fundament, einen ziemlich gut strukturierten Freundeskreis. Das sind auch alles Leute, die ich schon seit meiner Kindheit kenne. Und da versucht keiner irgendwas Komisches. Und ich glaube, dann würde man es auch merken. Wenn die Leute schreiben, dann antworte ich oder eben nicht, aber dann ist auch gut. Mich therapiert hier keiner.
MusikBlog: Du brauchst immerhin nur Luft und Liebe, wie es in „Blau“ heißt?
Amanda: Nee, schaffe-schaffe-baue, muss man heute natürlich auch! (lacht) Aber das ist einfach ein Gefühl, das ich catchen wollte. Ich war damals selbst in der Situation „Umbruch“. Die Zeit, als ich Musik machen wollte und kein Radio mehr.
Das war ja die Situation, in der ich nicht mehr zur Arbeit gehen wollte. Aber ich habe mich trotzdem auf den Hosenboden gesetzt und ein Lied geschrieben. Von daher, ganz faul war ich also nicht. Aber so ein bisschen Calypso Feeling und Freude hat das graue Deutschland auch einfach mal gebraucht!
MusikBlog: Apropos kein Radio mehr. Wieso hast du aufgehört? Sind heutzutage nicht alle Schauspieler irgendwie auch Sänger, alle Synchronsprecher YouTube-Stars und alle Models Moderatoren?
Amanda: Das ist Bullshit. Das sind, glaube ich, diese Leute, die ein krasses Ego haben und denken, sie können einfach alles. Ich, zum Beispiel, mache zwar auch meine Vlogs, aber würde jetzt nicht von mir behaupten, dass ich Vloggerin oder YouTuberin bin. Ich bin immer noch Sängerin.
Aber manche Leute wollen einfach mehrere Titel haben und feiern sich dann da drauf. Ich denk mir immer: Schuster, bleib bei deinem Leisten! Mache nur das, was du kannst. Finde deine Rolle. Das steht auch schon in der Bibel! (lacht)
Leute machen einfach alles, ich sing einfach nur. Und wenn die Leute meine Videos lustig finden, wenn ich quatsche, dann ist das auch cool, aber ich suche jetzt keine große Rolle im nächsten Hollywood Film. Ich möchte mich eigentlich schon aufs Singen konzentrieren.
MusikBlog: Das hat jetzt immerhin lang genug gedauert. Andere werden über Nacht berühmt.
Amanda: Das passiert. Wir sind Menschen und leicht zu begeistern durch Scheiße. (lacht) Ich sage damit gar nicht, dass Leute wie Shirin David scheiße sind. Die schminkt sich dann immer so und ich finde das toll, weil ich bin ja auch so eine Tussi.
Aber ich glaube, wir sind in einer komischen Generation, wo wir jeden Tag neue Videos brauchen, jeden Tag neue Stars. Die werden dann einfach geboren. Ich hate das auch nicht, das hat alles seine Daseinsberechtigung. Und solange es Jugendliche gibt, wird es auch Boybands und Blogger geben. Die Kinder rasten aus da drauf.
Aber ich fand es so gut bei mir. Ich habe die Jahre natürlich auch überlegt, ok, gehste mal zu ‚The Voice‘ oder zu irgend so einer Castingshow. Und ich bin so froh, dass ich das alles nicht gemacht habe und nie die Hoffnung aufgegeben habe, dass es irgendwann auch anders klappt. Ein Reifeprozess ist super wichtig, für jeden Menschen. Ich bin super happy mit dem, wie es gelaufen ist und freue mich auf die weitere Transformationen… Vielleicht finde ich beim nächsten Album meinen Mann! (lacht)
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.