Wie in einem Treibhaus sammelt sich die warme, feuchte Luft in den oberen Rängen des Gruenspans an diesem Samstagabend um die, schon vor dem Konzert schwitzenden, Gesichter der zahlreichen Gäste. Vor ausverkauftem Haus tritt heute Jeremy Loops auf, ein südafrikanischer Loop-Pedal-Artist aus Kapstadt, der es mit seinen folkigen Indie-Pop-Stücken rasend schnell über den afrikanischen Kontinent nach Europa geschafft hat.

Wärmer als in Kapstadt selbst, welches sich dank umgekehrter Jahreszeiten gerade auf bestem Weg in Richtung Winter befindet, ist es in dem schlauchförmigen Club, der schon beim Support-Act bis hinten gefüllt ist. Jordan Mackampa, ein junger Brite, stellt sich der vorgewärmten Menge und erinnert mit seinem expressiven Singer/Songwriter-Sound an Matt Corby. Kopfstimme darf dann natürlich auch nicht fehlen und kommt jedenfalls in den ersten Rängen sehr gut an.

Ein cleverer und gelungener Schachzug, als Support von Jeremy Loops gar nicht erst den Versuch zu wagen, ihn an Energie zu überbieten. Zum Scheitern verurteilt, würde der Funke auf das Publikum spätestens an der humiden Luft erlöschen. Ganz im Gegensatz zum subtilen Feuer, das Mackampa in den Herzen der Zuschauer lodern lässt, ohne dass auch nur einer sich gezwungen sieht, seine Energiekonserven und die Luft im Gruenspan jetzt schon aufzubrauchen.

Auf Zurückhaltung setzt der nächste Act, der die Bühe betritt, ganz und gar nicht. Jeremy Loops und seine Band beginnen nach kurzer Wartezeit ihr Set mit “Freak” vom neuen Album “Critical As Water“. Lächelnd und sichtlich beruhigt, endlich auf der Bühne zu stehen, singt Jeremy Loops den Song, der es in Deutschland schon ins Radio geschafft hat, während die Band und das Publikum in den Reggae-Rhythmen des Songs wippen, jedes Wort kennen.

Mit “Rather Have Me Dead” und “Sinner” folgen zwei Songs, einer alt einer neu, die beide eher auf den Spuren des Folk wandern. Mundharmonika am Umhängegestell, gemischt mit einer gesunden Portion Saxophon nimmt der Abend langsam Tempo auf, und die Temperatur im Gruenspan noch einmal zu.

Dass Jeremy Loops krank ist und die letzte Show eher wie im Fiebertraum erlebt hat, als wirklich da gewesen zu sein, merkt man ihm heute kaum noch an. Nur der Griff zum Teebecher verrät ihn, wenn er zwischen den Songs mal nicht redet, sondern schweigend das Kratzen in seinem Hals zu beenden versucht.

Seine Euphorie steht der des Publikums in Nichts nach. Beiden ist bewusst, dass die Show in Hamburg die erste auf dieser Tour war, für die es keine Tickets mehr zu kaufen gab. Ausverkauftes Haus und textsichere Besucher, nur zwei Indikatoren dafür, dass Jeremy Loops in Deutschland schon weitaus bekannter ist, als weithin angenommen.

Die erste Single-Auskopplung des neuesten Albums findet selbstverständlich auch ihren Weg in das Set. Der Tropical-Pop von “Waves” könnte kaum passender sein für die hitzige Atmosphäre im Club, wie eine erfrischende Welle maritimer Sounds, ein Windhauch, der jeden direkt an den Strand transportiert. Etwas zu langsam zum Tanzen, aber da pfeift das Publikum drauf und bewegt sich zu den wellenartigen Melodien wie eine Einheit und ohne Angst vor den Schweißtropfen des Nachbarn.

Als Motheo Moleko dann die Bühne betritt, ist sowieso jede unangebrachte Vorsicht und Zurückhaltung sinn- und zwecklos. Der Rapper, der Jeremy auf seinen Alben und auf Tour unterstützt, steigt beim Song “The Shore” ein und bleibt erstmal für vier gemeinsame Songs auf der Bühne.

Einer davon ist “Down South”, den jeder im Publikum mit frenetischem Beifall in Empfang nimmt, ehe gemäßigte Ruhe einkehrt, um Jeremy Loops bei dem zu beobachten, was er am besten kann, dem Loopen.

Mit verstellter Stimme und mehreren Ebenen der Gitarre baut sich die Kapstadt-Hymne auf und wird von lauten Stimmen im Publikum getragen. “Hamburg, how you’re doin’?” fragt Jeremy mitten im Song, eine Frage, die mit purer Energie beantwortet wird. “Running Away” und “My Shoes” folgen noch, ehe Motheo Moleko die Bühne erst einmal verlässt.

Beflügelt und erschöpft zugleich ist jeder im Raum und bereit für eine langsamere Episode. “Underwater Blues” soll es sein, kündigt Jeremy Loops an. Ein Song, der von der oft beklemmenden Gegenwart handelt, von unverständlichen Sorgen und Ängsten und ein Song, der einen Appell mitbringt.

Genau wie Jeremy selbst, der diesen Song nach einem Traum, in dem er fast ertrank und von den beruhigenden Walgesängen zurück ins Licht getragen wurde, schrieb, soll jeder und jede Anwesende seine und ihre Ängste und Sorgen, groß oder klein, ernst nehmen, sich nicht dafür schämen und das finden, was ihn und sie wieder glücklich macht.

Ein optimistischer Appel eines optimistischen Künstlers, der jedem Besucher jedenfalls an diesem Abend schon mal eine Portion seiner ungehemmten Freude daran, dass er seine größte Leidenschaft zum Beruf gemacht hat, mitgeben kann.

Glücklich macht jeden das große Finale des Abends, in dem “See I Wrote It For You” das Publikum zur Spur im Loop Pedal und den Gruenspan zum Bad riesiger, mit Luft und Papier gefüllter, Bälle werden lässt.

Nach etlichen Wiederholungen, die sich jeweils an Intensität überbieten, verlässt die Band die Bühne und das Publikum den Saal, erstmals seit langem in freudiger Erwartung darauf, in den nächtlichen Temperaturen Hamburgs Abkühlung zu finden. Aber auch etwas traurig darüber, jetzt wieder eine Weile warten zu müssen, bis der Kapstädter wieder in der Elbstadt aufschlägt.

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