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Gruff Rhys – Babelsberg

Babelsberg. Das hat nichts mit der Filmmetropole Brandenburgs zutun. Babelsberg, das ist megalomanischer Turmbau. Das sind Menschen, die auf der Suche nach Gott ihre eigene Hölle erschaffen. Das sind „Drones In The City“, „Negative Vibes“, „Architecture Of Amnesia“ und „Selfies In The Sunset“.

Das ist Mel Gibson, der schlechteste Hamlet seiner Zeit („Mel Gibson howls with rage / The worst hamlet of his age“). Das ist Aufgeben, Hoffen, mit gleichgültigem Schulterzucken und lächeln auf den Lippen. „Everyone is qual in the valley of death.“

Gruff Rhys, Mitglied der Super Furry Anmials und Neon Neon, hat sich mit dem 72-köpfigen BBC National Orchestra of Wales zusammengetan und mit „Babelsberg“ eine Dystopie erschaffen, die unserer Realität verdächtig ähnlich klingt.

Im eröffnenden „Frontier Man“ reitet er in Lee Hazlewood Manier durch die Prärie. Der tiefe Bariton, verletzt und verletzlich, ihn zum elegischen Cowboy of Eulogia prädestinierend, wird durch einen beschwingt-femininen Chor ergänzt – als kontrastive Oase zur staubtrockenen Wüstenheimat des an der Grenze lebenden Mannes.

Grenzen scheinen generell ein zentrales Thema auf „Babelsberg“. Nicht zwangsläufig die Grenze als Ende eines bestimmten Bereiches, sondern als feiner Übergang zweier gegensätzlichen Einheiten. Der Hölle entkommen, der Sonne entgegen, auch wenn dort am Ende auch nur Selfies warten. („Selfies In The Sunset“).

In „The Club“ besingt Gruff Rhys die Vertreibung aus dem Paradies: „They threw my out the club / into the darkest alley“. Um dort dann von den Wölfen zerfleischt zu werden. Aber nicht ohne Hoffnungsschimmer am Ende des Tunnels: „I picked myself up / into the blazing sunside“.

Musikalisch zeigt sich diese Dialektik ebenfalls durchgehend. Rhys selbst schwankt gewohnt brummend zwischen Nick Cave, Leonard Cohen und Matt Berninger, doch durch das mal pompös aufspielende, mal zurückgenommen begleitende Orchester und den entsprechenden Hintergrundchor finden sich stets zahlreiche Farbkleckse im ambivalenten Klangbild.

In „Limited Edition Heart“ und „Take That Call“ empfängt Gruff den Hörer mit offenen Armen und hakt diese sogleich zum fröhlichen Schunkeln ein. Ohne sich anzubiedern, sondern aufrichtig und zynisch zugleich.

Das ist Twee-Pop, Smooth-Jazz, Orchestra-Pop, Dad-Rock, Singer-Songwriter-Caberet-Musik, mit feinem, scharfem Geist, Harmonie im Disharmonischen und das ist David Bowie, der mit Mary Poppins Regenschirm davonfliegt. Weil ein Löffelchen voll Zucker bittere Medizin versüßt.

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