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Deaf Havana – Rituals

Zwischen Boyband-Schmelz und Schlager-Mist ist Deaf Havana der Tropfen zu viel im Fass.

Als ob es nicht schon genug zu meckern gäbe, über das Wetter, die WM, Özil, Merkel und die Rückkehr der Kaulitz-Brüder. Da muss das ansonsten sehr erlesene Label SO Recordings auch noch das fünfte Album von Deaf Havana in die Postfächer wehrloser Redaktionen spülen.

Aus Norfolk in England, drangsaliert die Band seit 13 Jahren überstrapazierte Ohren mit vermeintlich massentauglichem Nonsense ohne Masse – mit großer Geste, ohne Inhalt.

Aufpolierter Pop-Rock ist eben länger schon ein heikles Thema. Matchbox Twenty riskierten mit ihren Produktionen häufig die Grenze zum Kitsch, landeten mit einem Händchen für Songwriting und nicht zuletzt der Stimme von Rob Thomas aber fast ausnahmslos auf der sicheren Seite.

Deaf Havana verfügen über nichts dergleichen und stürzen mit schmierigem Popanz ins Bodenlose. Die peinliche Überdramatrugie in Songs wie „Ritual“ und „Hell“ würde auch einem nach Freiheit heischenden Banken-Werbespot noch das letzte bisschen Vertrauenswürdigkeit rauben.

Keine Sekunde an „Rituals“ ist echt. Keine Sekunde „Rituals“, die nicht ausschließlich das Bankkonto zur Kompositionsgrundlage nötigt. Wenigsten machen sie daraus keinen Hehl: „I want a big house in the suburbs“ („Epiphany“). Und dafür wird’s reichen.

Die bescheuerten Handclaps am Ende von „Sinner“ und der mehrstimmige Boyband-Chorus gerieren sich so dermaßen over the top, dass die Rückkehr von Tokio Hotel nach Erlösung klingt. Die Drums sind mehr Flippers als Flogging Molly, die Stimmen mehr Bruno Mars als Bruno Ganz.

Wer bis hierher noch immer bereit ist, dem Ganzen eine Chance zu geben, erfreut sich dank Hitzewelle wohl auch an permanent klebriger Unterwäsche.

Wenn „Rituals“ überhaupt etwas ist, dannn lediglich die qualvolle Erinnerung an das seelenlose Gedudel des Formatradios, das sich so schön ignorieren lässt, so lange es dort bleibt: Akkordant, lieblos, tot produziert.

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