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Es hat eine ganz bestimmte Atmosphäre geherrscht – Death Cab For Cutie im Interview

Das politische Dilemma rund um die Wahl von Donald Trump, ausufernde Veränderungen vor der eigenen Haustür und das Arbeiten innerhalb eines personell neu aufgestellten Kollektivs: Für Death Cab For Cutie-Sänger Ben Gibbard hielt die jüngere Vergangenheit viel “Aufregung” bereit. Kurz vor der Veröffentlichung des neunten Band-Studioalbums “Thank You For Today” trafen wir uns mit dem Aushängeschild der Band aus Seattle zum Interview und plauderten über beängstigende Verluste und kreatives Neuland.

MusikBlog: Ben, der Titel eures neuen Albums klingt, als hättet ihr während der Aufnahmen viel Spaß gehabt. War dem so?

Ben Gibbard: Nun, es gab tolle und nicht so tolle Tage – wie im richtigen Leben auch. (lacht) Aber es ist tatsächlich so: Der Titel hat sich innerhalb des Aufnahmeprozesses herauskristallisiert.

MusikBlog: Wie genau?

Ben Gibbard: Unser Produzent Rich Costey hatte vor unserer Zusammenarbeit mit einer Band zu tun, von der er sich nach jedem Aufnahmetag mit den Worten “Thank You For Today” verabschiedete. Das haben wir während unserer Produktion dann irgendwie übernommen. Und dabei spielte es keine Rolle, ob der jeweilige Tag ein erfolgreicher oder nicht so erfolgreicher war.

Das war lustig, und auch irgendwie prägend für die komplette Zeit, die wir miteinander verbrachten. Als es dann am Ende der Aufnahmen darum ging, einen passenden Titel für das Album zu finden, lag “Thank You For Today” einfach auf der Hand.

MusikBlog: Du sprachst gerade von tollen und nicht so tollen Tagen. Wie würdest du den Aufnahmeprozess im Vergleich zu den vorherigen Sessions einordnen?

Ben Gibbard: Ehrlich gesagt: Wir waren zu Beginn schon ziemlich aufgeregt und wussten nicht, was uns erwartet. Neben der politisch angespannten Lage und dem eher ernüchternden Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung in Seattle – beides Punkte,  die sich bewusst und unbewusst mit in den Songwriting-Prozess eingebunden hatten – waren es ja auch die ersten Aufnahmen ohne Chris (Christopher Walla) und die erste Session mit Zac (Zac Rae) und Dave (Dave Depper). Da stapelten sich natürlich die Fragezeichen.

MusikBlog: Wie sahen die Antworten aus?

Ben Gibbard: Das Fehlen von Chris war schon etwas, was uns alle sehr beschäftigt hat. Wir sind ja damals nicht im Streit auseinander gegangen. Ich kann mich noch gut an die Aufnahmen für das letzte Album erinnern. Da lag auch schon eine seltsame, wehleidige Stimmung in der Luft. Diesmal war es nicht ganz so dramatisch, da wir ja alle vorbereitet waren. Aber es war trotzdem irgendwie komisch.

Als wir dann aber anfingen, wendete sich das Blatt. Keine Ahnung, woran es genau lag, aber ich würde heute sogar behaupten, dass wir seit “Transatlanticism” nicht mehr so viel Spaß an der Fertigstellung eines Albums hatten.

MusikBlog: Das ist mal eine Ansage, über die sich vor allem eure beiden “Neuzugänge” freuen dürften.

Ben Gibbard: Zac und Dave haben auch einen großen Anteil daran. Es war unheimlich spannend, mit den Jungs zu arbeiten. Ich meine, wir kennen uns ja schon lange. Beide sind schon seit Jahren live mit uns unterwegs. Aber im Studio ist es dann doch nochmal eine andere Sache. Dort zeigt sich, ob man sich kreativ ergänzt und gegenseitig inspiriert.

Und das hat vom ersten Tag an super funktioniert. Ich hoffe auch, dass die Leute da draußen diese ganz bestimmte Atmosphäre, die im Studio geherrscht hat, irgendwie heraushören können. Das würde ich mir wirklich wünschen.

MusikBlog: Die Vorab-Hörer sind meines Wissens auch schon mal alle auf eurer Seite – meine Wenigkeit inklusive.

Ben Gibbard: Ja, die Resonanz bisher ist großartig. Wir haben einfach versucht, den Ist-Zustand der Band so ungefiltert und transparent wie möglich in Musik umzuwandeln. Es ist ein sehr persönliches Album geworden, auf dem es inhaltlich und in puncto Sounds viel zu entdecken gibt.

MusikBlog: Da stimme ich dir zu. Man kann sich beispielsweise von atmosphärischen Yoko-Ono-Vibes bezirzen lassen (“Gold Rush”). Man kann sich aber auch in tiefgehende Keyboard-Landschaften verabschieden (“Northern Lights”) oder eine Refrain-Dauerschleife starten (“I Dreamt We Spoke Again”).

Ben Gibbard: Ja, das sind durchaus drei Eckpfeiler des Albums, die alle eine andere Geschichte haben. “Gold Rush” wollte ich eigentlich gar nicht mit aufs Album nehmen. Unser Produzent hingegen war von der Loop-Idee ganz begeistert. Glücklicherweise hat er sich am Ende durchgesetzt. “I Dreamt We Spoke Again” ist ein toller Opener. Und auf”„Northern Lights” beweist Zac, dass er ein einzigartiges Gespür für fesselnde Synthie-Themen hat. Es sind aber nicht nur diese drei Songs. In meinen Augen ist das komplette Album etwas ganz Besonderes geworden.

MusikBlog: Das hört sich alles nach einer spannenden Band-Zukunft an.

Ben Gibbard: Auf jeden Fall. Wir mussten damals nicht lange überlegen, als es um die Fragen ging: Machen wir als Trio weiter? Oder nehmen wir Zac und Dave mit ins Studio-Boot? Ich freue mich jedenfalls schon total auf die kommenden Aufgaben und die Zeit, die ich mit den Jungs auf Tour verbringen werde. Wir sind zu einer tollen Einheit zusammengewachsen.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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