Punkte auf der Ungewöhnlichkeits-Skala sammelt Annelotte de Graaf, die unter dem schmissigen Namen Amber Arcades Musik macht, allein deshalb, weil sie mal als Rechtsreferentin beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, umgangssprachlich häufig auch als UN-Kriegsverbrechertribunal oder Haager Tribunal bezeichnet, angestellt war.
Menschen solchen Schlags verirren sich ja eher selten in die Gefilde von folkigem Singer/Songwriter Dream-Pop. Aber Amber Arcades meint es sehr ernst mit ihrer Folk-Musik-Karriere, ist „European Heartbreak“ bereits ihr zweites Langspielalbum nach “Fading Lines.” von 2016.
Wie der Albumtitel antizipieren lässt, sind Amber Arcades’ Songs überaus politisch und der Gesellschaft zugewandt, anders als ihre sanftmütige, Gegenwarten ausblende und träumerische Musik vermuten lassen würde.
Für diese Kontext gebenden Rahmenbedingungen gibt es also Pluspunkte auf Bewertungsskalen aller Art, für „European Heartbreak“ an sich leider nicht so viele. Natürlich macht die aus Utrecht stammende Holländerin wenig falsch auf ihrem zweiten Longplayer, aber ein Game-Changer im Folk-Pop wird „European Heartbreak“ mitnichten.
Alle Songideen sind so leider schon in irgendeiner besseren, zwingenderen Version verfügbar. Jenny Lewis schimmert sehr oft als musikalisches Vorbild durch, in balladeskeren Momenten auch schon mal eine Tamara Lindeman, die als The Weather Station bald im Vorprogramm von Kurt Vile noch mehr Freunde finden wird.
Dafür kann de Graaf herzlich wenig. Ehrlich und fleißig bietet sie Folk-Pop-Songs dar, die aus ihrem Innersten kommen. Genauso wenig kann aber die Musikkritikerschaft etwas dafür, dass Amber Arcades, wie sie auf „European Heartbreak“ erklingt, viel zu starke Ähnlichkeiten aufweist zu vergleichbaren Künstlerinnen, die mehr zu überzeugen wissen.