Haszcara ist eine Frau und rappt. So, haben wir diese leider immer noch sämtliche Besprechungen weiblicher Hip-Hop-Artists bestimmende Feststellung schon einmal abgehakt. Viel wichtiger: Mit „Polaris“ bringt Haszcara nun ihr Debütalbum heraus.

Ein Debütalbum als (manchmal etwas über-)ambitionierter Showreel ihrer selbst. Wer bin ich, was will ich, was kann ich. Es geht um alles, um das es bei Rap-Musik nun mal so gehen kann: Message und Technik. Flows und Beats. Attitude und Charisma. Und Gefühl.

Haszcaras Rap selbst wackelt manchmal etwas hölzern. Fegt andererseits aber auch mal wie ein Feuerball durch die Booth.

Gleich im ersten Song – „Intro“ – zeigt sie, dass bei ihr beides möglich ist. Doch obwohl man merkt, dass hier nicht die erfahrenste Rapperin unter der Sonne am Mic steht, fehlt es nicht an Selbstbewusstsein: „Ich bringe euch nicht um, sondern bringe euch was bei.“

Von allem ein bisschen, heißt die Devise. In „Nachtdepression“, auf dem vor allem die mitunter unkonventionelle Betonung einzelner Wörter auffällt, geht es etwas deeper zu.

In „Lauter Rapper“ flowt sie charmant zu einem obligatorisch-universalen Alle-Rapper-Sind-Whack-Rundumschlag, ohne persönlich zu werden und auf „Hannah Montana“ kombiniert sie Soundclound-Rap mit Princess-Nokia-Style, roh, kraftvoll und mit Selbstironie.

Einen wertvollen Track über toxische Beziehungen, Selbstliebe und Selbstwertgefühl liefert sie mit „Hast du gedacht“, der zum einzelne-Zeilen-hinter-die-Ohren-schreiben einlädt: „Du wolltest mein Feuer löschen, aber du hast es erst entfacht.“ Aus der Not eine Tugend machen. Aus der Verteidigung direkt in den Angriff.

„Ich bin nicht hier“ lässt die Angriffslust aber direkt wieder abebben. Auf dem dramatischen Track harmoniert der düstere Piano-Background leider so wenig mit dem Flow, dass beide für sich genommen guten Teile, das Gesamte nur unter größerer Anstrengung hörbar machen. Sie übertünchen sich gegenseitig.

„Immer nach dem Training“ – ein A-N-N-A-Zitat, eine Ode ans Krafttraining, die etwas zu angestrengt das eigentlich ja löbliche Unterfangen in Angriff nimmt, klar zu machen, dass es beim Pumpen eben nicht darum geht, einem Schönheitsideal zu entsprechen oder anderen zu gefallen, sondern darum, sich selbst gut zu finden, den Kopf frei zu kriegen, gesund zu sein.

Neo-liberale Selbstoptimierung, getarnt als selbstliebendes Empowerment? Zwar sei ihre zu erreichende Bestform nicht basierend auf einem Schönheitsideal („Und damit meine ich kein Schönheitsideal / Sondern den Körper in dem ich mich halt als schön empfinden kann“) aber das erwähnt sie vielleicht 1-2 Mal zu oft, um es wirklich zu glauben.

Grundsätzlich fällt auf: manchmal klingt das, was sie rappt, ein wenig zu exaltiert. Entweder zu sehr im Slang oder zu betont genau. Zwischen Old-School und Moderne verliert sich so zwischendurch die Eigenständigkeit ihres Styles.

Haszcara hat viel zu sagen. Und tut das auch. Innerhalb eines Tracks gibt es deswegen nur wenig Spannungsbögen, kaum Zeit, mal durchzuatmen, es geht mit Vollgas los und endet mit gleichermaßen durchgedrücktem Pedal. Verschiedene gut produzierte Interludes lassen einen hier und da aber trotzdem mal Luft holen.

Aber: „Outro (Ich bin hier)“ ist der letzte und beste Track des Albums. Hier stimmt alles. Der Rap passt geschmeidig zum Beat und ihre eindringlich-sanfte Singstimme, die sie gerne häufiger rauslassen könnte, wird stimmungsvoll eingesetzt.

Wenn die vorherigen Tracks eine etwas konfuse Sinnsuche darstellten, die notwendig war, um am Ende zu sich selbst, zum eigenen Sound zu finden und es nicht mehr heißt „Ich bin nicht hier“, sondern endlich: „Ich bin hier“, dann hat sich „Polaris“ auf alle Fälle gelohnt.

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