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Es ist Aufgabe eines Künstlers, Menschen zusammenzubringen – Tamino im Interview

Im Mai dieses Jahres erschien eine EP namens „Habibi“, die seinem Schöpfer nicht nur eine Menge Aufmerksamkeit, sondern auch den renommierten Anchor Award am Reeperbahn Festival einbrachte. Jetzt legt der 21-jährige Belgier Tamino sein Debütalbum „Amir“ vor. Für uns ist das Anlass genug, mit ihm über seine ägyptischen Wurzeln, seinen Kunstbegriff und klassische Musik zu reden.

MusikBlog: Tamino, nervt es dich, dass du andauernd auf deine arabischen Wurzeln angesprochen wirst?

Tamino: Nein! Ich glaube, das ist ganz logisch, man hört diese Einflüsse ja auch auf dem Album. Im Gegenteil, ich freue mich eher und bin auch stolz auf meine Abstammung. Wobei ich glaube, dass ich mehr von meiner Mutter, die Belgierin ist, habe. Sie hat mich großartig erzogen, mich an Musik und Kunst herangeführt und auch in meiner eigenen Kunst sehr unterstützt.

MusikBlog: Du sprichst die arabischen Einflüsse deiner Musik an. Ist dir wichtig, dass man die hört?

Tamino: Ich glaube, dass sie da sind, ist zunächst mal natürlich, wenn man bedenkt, dass ich mein ganzes Leben lang arabische Musik gehört und auch gemocht habe. Aber wenn ich einen Song schreibe, denke ich nicht darüber nach. Deshalb gibt es auch Songs ohne diese Einflüsse auf dem Album. Wenn es aber da ist, nehme ich es gerne an und stelle es auch in der Produktion bewusst heraus, zum Beispiel durch ein arabisches Orchester.

MusikBlog: Was liebst du denn so an arabischer Musik?

Tamino: Sie verfügt über eine bestimmte Ungeschliffenheit, eine ganz ursprüngliche, emotionale Power. Es gibt keine Grenzen, wenn es darum geht, Emotionen auszudrücken. Das Verrückte ist, selbst wenn dort von Traurigkeit oder Herzschmerz gesungen wird, spürt man keine Spur von Selbstmitleid, das ist eher etwas Westliches. Sie singen mit aufrechtem Gang, majestätisch, könnte man sagen.

MusikBlog: Ist dein Debütalbum deshalb so melancholisch?

Tamino: Wenn man Traurigkeit als etwas Schlechtes betrachtet, kann einem das nur schaden. Man muss sie eben manchmal akzeptieren, um dann auch wieder glücklich sein zu können. Natürlich habe ich eine gewisse Melancholie in mir, sonst würde sie meine Songs nicht so dominieren. Aber es geht mir auch darum, Musik zu machen, die mich und andere bewegt und deshalb nehme ich sie auch gerne an und laufe nicht davon. Außerdem bin ich selbst kein Fan von Hintergrundmusik, ich will Musik hören, wenn ich wirklich Zeit habe, das zu tun und ich glaube auch, dass meine Musik dann am besten funktioniert.

MusikBlog: Das klingt so, als würdest du tief eintauchen beim Musikhören, ist Musik auch etwas Spirituelles für dich?

Tamino: Ja, absolut. Musik ist die Kunstform, die das am leichtesten ermöglicht, aber ich glaube, dass Kunst grundsätzlich ein Mittel der Menschen ist, Transzendenz zu erreichen. Es ist wunderschön sich in ihr aufzulösen und lässt einen danach wieder aufmerksamer und präsenter sein.

MusikBlog: Glaubst du die Aufgabe eines Künstlers geht darüber hinaus, zum Beispiel als kultureller Botschafter einer Region zu agieren? Nordafrika stand im letzten Jahrzehnt sehr oft im Fokus der Weltpolitik, häufig negativ.

Tamino: Nein, ich bin Künstler und war auch nie ein politischer Mensch. Ich glaube aber, dass es die Aufgabe eines jeden Künstlers ist, Menschen zusammenzubringen und wenn meine Musik das schafft und dazu beiträgt, dass Menschen von beiden Seiten weniger Angst voreinander haben, wäre das natürlich wunderbar. Aber das ist nicht der Grund, aus dem ich Musik mache.

MusikBlog: Dein Album klingt aber natürlich auch nach ganz anderen Dinge, du hast sogar mit Colin Greenwood von Radiohead zusammengearbeitet. Ist er einer deiner Helden?

Tamino: Ja, überhaupt Radiohead natürlich! Als ich acht Jahre alt war, war John Lennon mein erstes Idol. Meine Mutter gab mir seine Platten, und ich wollte alles über ihn wissen und sogar aussehen wie er. Ansonsten mag ich Cohen, Nick Cave, Bob Dylan, Tom Waits, aber auch viel Hip-Hop, z.B. Kendrick Lamar, Travis Scott oder Brockhampton.

MusikBlog: Dieses Jahr kam ja schon eine EP raus, die vollständig im Album enthalten ist. Gab es trotzdem eine Entwicklung zwischen beiden Veröffentlichungen?

Tamino: Nicht wirklich, wir haben alle Songs aus der selben Haltung heraus produziert. Die Songs auf der EP waren einfach die, die als erstes fertig waren. Deshalb war’s schön, sie, schon Monate bevor jetzt das Album erscheint, veröffentlichen zu können und eine kleine Tour zu machen.

MusikBlog: Du hättest aus den neuen Songs noch eine EP machen können. Es war dir aber schon wichtig ein Album nachzuschieben?

Tamino: Klar, ich sehe eine EP immer also eine Art Visitenkarte, eine Möglichkeit sich selbst kurz vorstellen zu können. Ein Album dagegen ist so etwas wie dein Personalausweis, ein vollständiges Werk, das repräsentiert, was man als Künstler zu einem Zeitpunkt ist.

MusikBlog: Durch deinen Namen warst du dein ganzes Leben lang mit Mozarts „Zauberflöte“ konfrontiert. Hat dich das nie auf die Idee gebracht, so ein Künstler werden zu wollen, ein klassischer Musiker?

Tamino: Ich hatte klassischen Klavierunterricht, aber dadurch habe ich mich vor allem selbst sehr gut kennengelernt. Ich habe es nämlich nur zwei Jahre gemacht und dann gewusst, dass das nichts für mich ist. Ich liebe klassische Musik, ich mag sie auch spielen, aber genau zu spielen, was auf einem Blatt Papier steht, war nichts für mich. Bei Musik geht’s für mich um Ausdruck. Das mit meinem Namen war eher witzig für mich. Ich habe die Kinder-Version der „Zauberflöte“ in Brüssel gesehen und sie sehr gemocht, aber das hat mich als Musiker nicht beeinflusst und lieber als Mozart mag ich spätere Komponisten wie Debussy und Satie.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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