„Go Your Own Way“ ist mit über 200 Millionen Plays der erfolgreichste Song von Fleetwood Mac bei Spotify. Die größten Hits der britisch-amerikanischen Hippie-Popper um Mick Fleetwood laufen als treffsichere Einstimmung für das Konzert von Alice Phoebe Lou und sind Soundcheck für sämtliche Lautsprecher auf und vor der Bühne.

Immerhin auf über eine Million Plays kommt „She“. Alice Phoebe Lou hätte für diesen Song beinahe einen Oscar in der Kategorie „Best Original Song“ abgestaubt, weil er den Soundtrack der durchschnittlichen Dokumentation „Geniale Göttin“ über die Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr überdurchschnittlich bereicherte.

Die südafrikanische Songschreiberin mit der kindlichen Erscheinung und der unglaublich eloquenten Engelsstimme spart sich ihren ersten echten Hit bis ganz zuletzt auf. Danach ist ultimativer Schluss. Zugaben seien nicht ihre Art, sagt sie. Dabei bleiben doch so viele Songs ihres traumhaften Debütalbums „Orbit“ ungenutzt.

Die zierliche Blondine hat heute Abend Anderes im Sinn und spielt einiges an neuem Material, das zum Teil von der jüngst erschienenen EP „Sola“ stammt, zum Teil von einem kommenden zweiten Album und teilweise wohl von beidem zugleich.

Sie bittet die Handyfilmer, unveröffentlichte Songs nicht online zu stellen, „because the quality of your smartphone cameras is shit, to be honest.“ An anderer Stelle appelliert sie an die vergleichsweise überschaubare Zahl an Männern im Publikum, Frauen mit Respekt zu behandeln und Freiheiten zu akzeptieren.

Neben dem Paradoxon von Erscheinung und Stimmgewalt, drückt sich hier einmal mehr ihr gelungener Twist aus unschuldiger Künstlerin und überzeugter Feministin mit klarer Haltung aus, der sich seit Beginn ihrer Karriere, und nicht erst mit „She“, in ihren Texten manifestiert.

Die musikalische Tendenz, die sie mit „She“ allerdings andeutete, wird in der restlos ausverkauften Frankfurter Brotfabrik klar erkennbar. Die Wahl-Berlinerin denkt fortan kollektiver und arrangiert ihre Songwriter-Nummern inzwischen für eine sechs-köpfige Band, aus jungen Herren, mit Bongos und Saxofon, die zuvor ohne sie den Support-Act geben durften.

Das sind allesamt stilsichere Profimusiker, die sich Lous Songs fügen, die ihre neuerliche Einteilung in Melancholie- und Partysongs beherzigen, die urbane und exotische Rhythmen beherrschen – und doch irgendwie nur Zierde bleiben und so manches Mal eher vom Wesentlichen ablenken, als es zu schmücken.

Das Wesentliche einer Alice Phoebe Lou Show ist und bleibt das Stimmwunder dahinter, ihre angejazzte Gitarre und die gefühlvollen Wattebällchen, die aus dieser Summe ins Publikum fallen.

Die besten Momente des Abends sind deshalb ihre eigenen: Bei „Girl On An Island“ verschwindet die Band von der Bühne und nichts lenkt von der puristisch-astralen Schönheit eines sensationellen Gitarrensongs ab. „It’s just us now“, sagt sie zuvor, als hätte das einen kurzen Moment lang auch für sie noch diesen intimen Reiz.

Leider wiederholt sich das nur noch bei Lous bezauberndem Elliott-Smith-Cover „Between The Bars“, bei dem sie lediglich von ihrem Keyboarder unterstützt wird.

„People you’ve been before that you don’t want around anymore“, heißt es im Chorus dieser Gedächtnisstütze an einen der größten Songwriter aller Zeiten. Smith wäre ganz sicher stolz auf diesen eigenständigen und doch ehrfurchtsvoll-würdigen Vortrag seines Vermächtnisses.

Es ist wohl nur so, dass sich Lou konträr zu den Lyrics verdammt wohl fühlt, mit den Leuten, die sie umgeben. „Es gibt niemanden, mit dem ich lieber auf Tour wäre, als mit diesen Jungs“, sagt sie. Man wird sie wohl für lange Zeit nicht mehr nur für sich alleine haben.

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