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Bilderbuch – Mea Culpa

„Mea Culpa“, meine Schuld. Ob die Österreicher von Bilderbuch sich mit diesem Albumtitel wohl dafür entschuldigen möchten, ebendieses Album erst eine Woche zuvor angekündigt zu haben?

Wahrscheinlich nicht. Stattdessen setzt sich der kurze Neuling von Bilderbuch mit ähnlichen Thematiken auseinander wie schon sein Vorgänger „Magic Life“: Liebe, Drogen und „Ass“ halt, was man eben so mit Österreich assoziiert.

Den Anfang machen „Sandwishes“ und „Taxi Taxi“. Tracks, die kaum mehr Bilderbuch sein könnten. Eine erhöhte dichte an adlibs paart sich mit der gleichbleibenden Ironie (?) der Band, die die Darstellung des digitalisierten Ichs aus der Subtilität herausholte.

„Memory Card“ und „Checkpoint (No Game Over)“ unterziehen die Liebe einer videospielerischen Fiktionalisierung und definieren die Liebe als Spiel des 21. Jahrhunderts. Ekstase sieht in 16-Bit eben noch expressionistischer aus. Und hat Mario nicht auch schon Pilze gegessen?

Bilderbuch bemühen sich um modernisierte Definitionen menschlicher Phänomene, begeben sich auf die ewige Suche nach Liebe. In „Megaplex“ folgt Sänger Maurice Ernst den Sirenen der Stadt, dem mythologischen Symbol der verhängnisvollen Abhängigkeit, den drugs, die zahlreich genamedropped werden.

Der Sound lebt no-fucks-given-Eklektizismus zwischen Lounge und Disko. Gegen Ende von „Lounge 2.0“ (passender Name) übt sich Maurice Ernst in der Mimese der verzerrten E-Gitarre, merkt oder merkt nicht, dass Auto-Tune fehlt, Tarnung fliegt auf.

„To the left“-Rufe begleiten stereotypische Rhythmen und werfen die Frage auf, ob’s nur um Party oder auch um Politik geht. Ultrakonsum, um den Kapitalismus zum Platzen zu bringen? Vielleicht auch nicht.

Bilderbuch kondensieren auf „Mea Culpa“ weiterhin das schwerelose und lastenfreie Leben im digitalisierten Wohlstand Europas, und all die existenziellen Krisen, die dieses Leben begleiten. Im Interlude „Emotion“ darf sogar das Saxophon ran, das auch schon auf The 1975’s neuem Album „A Brief Inquiry Into Online Relationships“ zwischen ironischem Gegenwartsgebrüll ran durfte.

Und die Band aus Manchester bringt, genau wie Bilderbuch, zwei Alben innerhalb einiger Monate raus. Bands, die sich der steten Beschleunigung der Realität anpassen, werden mehr und klingen auf abstrakte Art und Weise ähnlicher, als man an formalen Gesichtspunkten erkennen könnte.

Dass retro-nostalgischer Neo-Pop zur Musikbewegung des Moments geworden ist, kann man als Symptom der Gesellschaft verstehen. Was „Mea Culpa“ dann bedeutet? Vieles, Teil des Problems zu sein zum Beispiel, eine vorgreifende Universalentschuldigung im Zeitalter der Sensationen ist es vielleicht auch.

Wie heißt das nächste Album? „Vernissage My Heart“? Oder es ist einfach nur ein Albumtitel.

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Eine Antwort

  1. Nachdem mich gestern auf Facebook die Nachricht erreichte, dass Bilderbuch unerwartet ein neues Album veröffentlicht haben, Mea Culpa habe ich sogleich auf Spotify durchgehört. Es ist tatsächlich eine gelungene Fortsetzung des Sound, der für Bilderbuch steht. Falco mit Auotune, Gitarrengegniedel a`la Dire Straits und immer wieder schaut Prince um die Ecke. Das wird aber nicht langweilig, weil den Jungs immer wieder neue Variationen einfallen. Die Texte befassen sich wieder mit Sex, viel Drogen, Suche nach der Liebe sowie Internet. Den Themen fehlt etwas Dringlichkeit. Ob das für alle Zukunft reicht, bleibt abzuwarten. Aber bei Bilderbuch zählt eh mehr die tanzbare Musik und der Schmäh. Davon gibt es auf der Platte reichlich. Gut haben mir die Intros der Stücke gefallen, die irgendwie immer auf den vorige Track Bezug nehmen und zum nahtlosen Durchhören des Albums anregen. Auf diese Weise übergeht man auch nicht das wunderbar jazzige Instrumentalstück „Emotion“. Also Shuffle-Modus beim streamen abstellen. Mir gefällt am besten der Track Memory Card.
    adohraufdieohren.wordpress.com

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