Das schwarze Cover in zwei Varianten. Blondes Mädchen in Lederjacke. Trostlos verlorene Schönheit, weiter Blick in unklare Zukunft. Das gleiche Mädchen in Black-Metal Corpsepaint. Zukunft zerstört, nicht unklar.
Düster verlorenes Klavier. Pascow öffnen mit dem „Prolog“ eine weitere Schere ihres sechsten Albums „Jade“. Akkorde fräsen ihren Weg vor stampfender Basssrum. Ein Schrei, ein Riff kommt dazu. Alles wieder gut.
„Silberblick & Scherenhände“ bringen die erwartete Musik zurück. Ein romantisierter, schmaler Grat zwischen „anders sein“ und „abgestürzt“.
„Etwas ging kaputt vor Jahren, das sollte ganz genau so sein. Darum schließt mich gar nicht erst in euer Beten ein“. Der Refrain von Frau Wolf eröffnet die Reihe der Frauen auf der Platte.
Wie ein roter Faden werden sich weibliche Beiträge durch die Scheibe dieser reinen Männerband ziehen. „Jade“, weder politische Aussage, noch Liebeslied. Damit eine Ausnahme auf der Platte.
Eine Hommage an Live-Konzerte, die nur vorwärts kennt. Trifft so manchen Gig auf den Kopf. „Himmel auf für das Geballer. Hört einfach nie mehr auf. Denn so lange sie spielen. Wird dieses Rattenloch. Zum besten Platz der Stadt“.
„Marie“, das erste Liebeslied. So selbstzerstörerisch wie die depressive Geige zum Beginn. Die Grenzen des Punks großzügig gedehnt bis hin zu Ska mit russisch anmutendem Folk.
„Let them eat cake. Let them drink Coke“. Die Hybris der Wasser-Industrie in Parallele zu der einer Marie-Antoinette. „Kriegerin“, kaum verhohlenes Verständnis von unfriedlichem Widerstand. Dazu klassischer Punk á la Turbostaat. Weniger klassisch die instrumentale Morricone-Western Hommage „Die Backenzähne des Teufels. „Do they owe us a living? Owe us a living.“, der Crass Refrain in „Unter Geiern“ gesungen von Nadine Nevermore.
„Treck der Toten“ rumpelt politisch weiter hin zu „Schmutzigrot“. Das zweite Liebeslied. Inszeniert als großartiges Duett mit Wick Van Houdt von Bambix. Zwei Protagonisten treffen aufeinander, wie ihre Dialekte. Der Klang des Refrain an der Grenze zum schmalzigen.
„Jetzt kommt nichts mehr. Bloß noch der Lärm, wenn er dann fällt. Das war der Vorhang. Wir der beste Irrtum der Welt.“ Auch kein besserer Ausgang als das erste Stück. Optimismus ist Out.
Nicht nur in der Liebe, auch politisch „Dieses Land, das könnt ihr haben. Ich will es gar nicht mehr. Und wenn es dann total im Arsch ist. Haut ab, haut ab und raus.“
Der Abschluss schließt die Scheren. Das düstere Klavier holt uns wieder ein, nur begleitet mit dezent verzerrter Gitarre. Durchaus gewagt für ein Punk Album.
Alleine für sich stehend ist „Wunderkind“ keine Offenbarung. Inhaltlich schließt es die Schere zurück zum ersten Stück. Romantisierung des Untergangs, Hoffnung für Untergegangene? Auf alle Fälle zwei gut gemachte, sehenswerte Videos.
Mit „Jade“ loten die Jungs aus der Provinz nicht nur ihre eigenen Grenzen aus, sondern auch erfolgreich die des ganzen Genres. Western Sound, russische Folklore, Klavier, Geige, schmalzige Refrains. Eine Vielzahl von widersprüchlichen Fragmenten.
Mit viel Druck und Kraft zusammengesetzt zu einem modernen Punk-Album. Und überall Frauen, soweit man sieht, in der sonst so männlichen Welt von Punk-Rock. Auf dem Cover, in den Videos, in den Texten, als kriegerische Heldin und als Co-Sängerinnen auf der Hälfte der Stücke.