Von wegen „Schnulzensänger aus den Bergen“! Gegen den Auswurf einschlägiger Schlager-Repräsentanten sind Dagoberts Lieder Kulturgut.

Vier Jahre nach der Großtat „Afrika“ nimmt sich Lukas Jäger auf seinen dritten Album erneut der Zweisamkeit an, dem Schmerz, der Trauer und dem Drama, welches das Vakuum der Seele nach dem Weggang bzw. dem Nicht-zur-Verfügung-Stehen der Sehnsuchts-Person aufsaugt.

Zu diesem Zweck zog sich der Barde in die Einsamkeit des Brandenburgischen zurück, wo er – zusammen mit seinem langjährigen Live-Bühnenpartner und Gitarren-Virtuosen Max Zahl – ein Konzeptalbum erschuf.

Der Ex-Eremit, der inzwischen in Berlin seinen geografischen Frieden gefunden hat, vertont in zehn Kapiteln anhand anonym zugeordneter Person die erlittenen Grausamkeiten und Katastrophen, die gemeinsam oder isoliert durchlebt wurden.

Der Einsteiger „Du Und Ich“ ist stimmiger Epos zwischen Frank Duval und Suizid, kann der sich um die Schultern schmiegende, weiße Tennis-Pullover aus Noten nicht die Wärme ersetzen, die das Zwischenmenschliche zu generieren vermag.

Wenn der Eidgenosse anschließend „Uns Gehört Die Vergangenheit“ singt, klingt das, als würde Humphrey Bogart zu Ingrid Bergman sagen „Uns Bleibt immer Paris“.

Wenn der Urheber selbst vom Album sagt, der Humor sollte diesmal außen vor bleiben, und die Lichtstrahlen Mühe haben, seinen Soziotop zu erhellen, trägt dennoch manche Zeile den Geschmack der Heiterkeit im Abgang.

Musikalisch zieht Dagobert, der die Dämonen seines Kontrollzwangs bezwang und diesmal das Produzieren in fremde Hände, die von Konrad Betcher, legte, wieder alle Register des wirkungsvollen Tränenziehers.

Wo sich eingangs die klappernde Gitarre gen Weltall bewegt, wird anderswo das einsame Piano zum Botschafter aus besseren Zeiten. Aber es geht auch flotter: in „Einsam“ etwa oder dem Disco-Stampfer bester Güte „Flashback“.

„Anna“ ist hingegen mit klingenden Grüßen aus 1001 Nacht unterwegs, säuselt „Der Geist“ sphärisch, bleiben die präzisen Tupfer von Zahls Instrument Stilmittel.

Eine „Welt Ohne Zeit“ scheint real. Auf den Federwolken der Album-Poesie reisend wird deutlich: Dagobert wäre wohl der passendere Traumschiff-Kapitän!

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