Drei Jahre nach ihrem letzten Studioalbum “Songs For Our Mothers” melden sich die Mitglieder der Fat White Family mit ihrem dritten Longplayer “Serfs Up!” wieder zurück. Und man höre und staune: Während die Welt am Abgrund steht, und große Teile der Gesellschaft im Morast aus Angst, Hass und Hoffnungslosigkeit zu versinken droht, kommt die einst so unangepasste Anarcho-Truppe aus dem Londoner Stadtteil Peckham mit musikalischer Struktur und langlebiger Sound-Kultiviertheit um die Ecke. Höchste Zeit also für ein Gespräch. Wir trafen uns mit Keyboarder Nathan Saoudi zum Interview und sprachen über Selbstreinigung, neue Vibes und die Gefahr des Rückfalls.
MusikBlog: Nathan, das Cover eures Debütalbums ziert ein gemalter Mensch-Schwein-Hybrid mit Riesenpenis. Sechs Jahre später überrascht ihr mit grasenden Kühen vor einem beeindruckenden Berg-Panorama. Ist das ein bewusster Kontrast?
Nathan Saoudi: Es ist definitiv ein Kontrast, keine Frage. Und vielleicht hat es auch etwas mit der Entwicklung der Band zu tun. Soweit ich informiert bin, sieht man auf dem Gemälde einen berühmten europäischen Berg, der sich wohl nur sehr schwer erklimmen lässt. Ich glaube, es ist der Große Geiger, bin mir aber nicht ganz sicher. Ist aber auch nicht so wichtig. Wichtig ist, dass wir uns mit dieser Band auch immer großen Herausforderungen stellen mussten. Und so passt das Cover, wie ich finde, wunderbar zur Entwicklung der Band.
MusikBlog: Seid ihr denn glücklich und zufrieden mit der Entwicklung der Band?
Nathan Saoudi: Ich denke, dass wir in erster Linie glücklich darüber sind, dass diese Band überhaupt eine Entwicklung durchmachen durfte. (lacht)
MusikBlog: Was glaubst du, wem ihr das zu verdanken habt?
Nathan Saoudi: Diesbezüglich liegen sehr viele Schlüssel auf dem Tisch. (lacht) Wir waren und sind immer noch unser größter Feind. Kurz vor dem Ende unserer letzten Tour pfiffen wir eigentlich alle auf dem letzten Loch. Die Drogen, vor allem das ganze Heroin, haben uns fertig gemacht. Eigentlich ist es ein Wunder, dass wir überhaupt in der Lage waren, zwei Studioalben aufzunehmen.
Wir haben uns in den ersten Jahren wirklich gehen lassen. Irgendwann kommt man dann an einen Punkt, der einem zwei Möglichkeiten vor Augen führt. Entweder man macht so weiter und kippt irgendwann im Kollektiv von der Bühne, oder man reißt sich zusammen und öffnet sich für all das, was sich außerhalb der selbst gebauten Mauern präsentiert. Wir haben uns für Letzteres entschieden.
MusikBlog: Gab es einen bestimmten Reset-Moment?
Nathan Saoudi: Nein, das war mehr eine Anhäufung vieler Dinge, die letztlich zum Umdenken geführt hat. Man sollte das jetzt auch alles nicht falsch verstehen. Wir sind keine komplett neue Band. Wir sind immer noch die Fat White Family, die mit all dem vorgefertigten, inhaltslosen und weichgespülten Output da draußen nichts zu tun haben will. Wir sind aber als Band, und jeder für sich als Persönlichkeit, gereift.
MusikBlog: Und ihr seid entgiftet.
Nathan Saoudi: Ja, und wir sind entgiftet. (lacht) Es war wirklich wichtig, dass wir das neue Album clean einspielen konnten. Wir haben uns diesmal ausschließlich von der Musik leiten lassen.
MusikBlog: Euer Gitarrist Saul Adamczewski kam im vergangenen Jahr mit einem neuen Projekt namens Insecure Men um die Ecke. Hat euch das auch nochmal einen extra Schub gegeben?
Nathan Saoudi: Neue Sounds und neue Inspirationen sind immer gut. Wir waren noch nie eine Band, die einem ganz bestimmten Soundweg folgt. Uns war immer wichtig, keine Grenzen entstehen zu lassen. Damals war es so, dass Saul eine Weile bei Sean Lennon in New York wohnte. Irgendwann saßen Lias und ich dann auch bei Sean daheim auf der Couch und tüftelten gemeinsam an Songideen. So entstand das Projekt.
Für uns war es eine tolle Erfahrung, mal komplett ohne Druck und Erwartungshaltung arbeiten zu können. Dieses Gefühl und diese Vibes haben wir dann auch mit nach Sheffield ins Studio nehmen können. Da kam dann eins zum anderen. Wir hockten nicht mehr in London rum, sondern konzentrierten uns in einem komplett neuen Umfeld auf unsere Arbeit. Wir hatten viele neue Ideen. Und wir waren clean. Perfekte Bedingungen.
MusikBlog: Ihr seid gereift, eure Musik ist gereift, das Heroin ist weg: Klingt nach einer rosigen Zukunft für eine Band, die noch vor ein paar Jahren am Abgrund stand.
Nathan Saoudi: Wie schon gesagt, wir sind und wir bleiben die Fat White Family. Wir werden immer für eine Überraschung gut sein. Momentan fühlen wir uns, so wie es ist, unheimlich wohl in unserer Haut. Alles ist ein bisschen strukturierter. Das hört man auch der Musik an. Wir haben uns ein bisschen vom Chaos der Vergangenheit entfernt. Unser Sound ist zugänglicher geworden. Wir freuen uns schon auf die Reaktionen. Und wir freuen uns natürlich auch auf die Tour, wenn wir all unsere Freunde und Fans wiedersehen. Wir genießen den Moment. Wir wissen aber auch, dass wir sehr sprunghaft sein können. (lacht)
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.
Eine Antwort
Nettes Interview, finde neues Album wirklich gelungenm weil anders und trotzdem mit einer gehörigen Prise FWF Sound versehen.