Eigentlich sollte „No Man’s Land“ schon viel früher das Licht der Welt erblicken. Aber dann kam Frank Turner die chaotische Weltlage dazwischen, wie der Brite uns im MusikBlog-Interview verriet.

Mit Brexit, Trump und dem Aufschwung rechter Parolen sah er sich zu einem Kommentar gezwungen und schrieb kurzerhand „Be More Kind“. Als er sich seine Gedanken zur aktuellen Lage von der Seele geschrieben hatte, war wieder Zeit für die ursprüngliche Idee, die es so bislang im Backkatalog von Turner noch nicht gibt – ein Story-Telling-Album.

Dass „No Man’s Land“ ausschließlich die Geschichten von Frauen erzählt, war zunächst Zufall. Auf der Suche nach unerzählten Geschichten kristallisierte sich schnell heraus, dass die meisten von Frauen handeln. Warum also nicht gleich ein ganzes Album damit vollmachen?

Das ist Frank Turner gelungen, denn jedes einzelne Schicksal ist interessant und zum Großteil tatsächlich eher unbekannt, weswegen es auch völlig müßig ist darüber zu diskutieren, ob es Turner als Mann zusteht, die Geschichten von Frauen zu erzählen. Besser er erzählt sie als niemand.

Praktischerweise hat der alte Geschichtsnerd gleich einen passenden Podcast ins Leben gerufen, wo er gemeinsam mit Historikern die einzelnen Frauen näher beleuchtet.

Da wäre beispielsweise Rosetta Tharpe, dieu.a. von  Johnny Cash oder Elvis Presley als Inspiration zitiert wurden und trotzdem den meisten deutlich weniger bekannt sein dürfte.

Eigentlich wollte der Brite mit „Sister Rosetta“ – einer typischen Turner-Feel-Good-Hymne – eine Petition à la John-K-Samson ins Leben rufen, um Rosetta in die Rock’N’Roll Hall Of Fame zu befördern. Ärgerlicherweise für ihn wurde die Afro-Amerikanerin aber schon vor der Veröffentlichung von „No Man’s Land“ dorthin aufgenommen, weswegen er seine Lyrics kurzerhand ändern musste.

Musikalisch sticht vor allem „Nica“ heraus. Ein Song über Nica Rothschild, die ihre erfolgreiche Banker-Familie hinter sich ließ um dem Jazz zu huldigen und sich einen Ruf als wichtigste Förderin machte. Passend dazu erklingt Turners Song mit rauchiger Jazz-Instrumentation, die in dunkle Kellerclubs entführt, in denen Thelonious Monk am Klavier sitzt und sich die Seele vom Leib spielt.

Einen besonderen Ansatz verfolgt Turner mit „A Perfect Wife“. Eine introvertierte Akustik-Ballade, die so unschuldig klingt wie das Mädchen von nebenan. Dabei handelt der Song von Nannie Doss – einer Serienmörderin, die insgesamt für den Tod von 11 Menschen verantwortlich ist und zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde.

Mit „No Man’s Land“ beweist Turner, dass er zu mehr fähig ist als zu ewigem Suhlen im eigenen Leid oder Glück, auch wenn ihn in Sachen Lyrics große Storyteller wie Bob Dylan noch immer in den Schatten stellen.

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