Sascha Ring ist mit Apparat gewöhnlichen Elektro-Konzerten schon seit längerem entschwunden. Bei ihm geht es sinfonisch zu, bedächtig einher und sitzend in einen deepen Klangkosmos, der hierzulande seinesgleichen sucht.
Das BASF-Feierabendhaus ist mit seinem weiß marmorierten Protz und Prunk zugegeben etwas charmebefreit und nicht auf Anhieb mit dem retrofuturistischen Ambient der Apparat-Diskografie in Deckung zu kriegen. Sogar die Lautsprecherbananen, die von der Decke hängen, hat der Chemie-Riese in weiß bestellt.
Ring und seine vierköpfige Band kontern die Kulisse mit schwarzem Mollton und schwarzer Garderobe. Mit vereinzelten LED-Ketten, die asynchron an Stativen verteilt aufflackern und als Lichtblitze die Bühne partiell aufleuchten lassen. Die Optik ist minimalistisch, der Sound gewaltig.
In die Kinosessel gefläzt, braucht es etwas, bis man sich daran gewöhnt, ein halb elektronisches, halb akustisches Schauspiel nicht stehend zu verfolgen. Es sei denn, eine ganze Reihe erhebt sich in Laola-Wellen-Bewegung, weil der in der Mitte ganz dringend muss. Das passiert öfter, als man meinen möchte und stört eine andacht-gleiche Performance, die nach zwei Dritteln des Sets selbst aus ihrer Liturgie gerissen wird.
Bei „Outliner“ brennt ein Netzteil durch, und gerade als der Song im Begriff ist, seinen dynamischen Peak zu erreichen, bricht das Stück mit einem lauten Klacken in sich zusammen. „Das ist der denkbar schlechteste Moment“, sagt Ring nach einem kurzen Moment der Stille.
„Computer können immer kaputt gehen. Bei meinen anderen, weitaus elektronischeren, Projekten ist das noch schlimmer,“ versucht er die Zwangspause mit Worten zu füllen. Er redet dann soviel wie sonst nie bei seinen Shows, die sich in der Regel wortkarg auf übliche Dankes-Floskeln beschränken.
Einige wollen die kurze Unterbrechung nutzen, um aus den zu engen Stuhlreihen zu klettern und doch kurz zur Toilette zu eilen. Dafür reicht die Zeit nicht aus.
Denn bei Apparat ist trotz der elektronischen Grundierung am Ende vieles handgemacht. Und das wenige, das sich ausschließlich über einen abgerauchten Rechner wiedergeben ließe, sehr schnell in Stand gesetzt.
Rings Multifunktionsband spielt vor allem die Flächen live. Posaune, Cello, Synthesizer, damit lassen sich 90% der Soundlandschaften reproduzieren, die vor allem vom aktuellen Album „LP5“ stammen.
Sechs Jahre nach „Krieg und Frieden“ und einer Reihe von Theater- und Filmmusiken, ist es die Platte, die Apparat im Schatten von Rings Erfolgsband Moderat zurück auf die Bildfläche hiefte.
Seine Mitstreiter wechseln dabei universell talentiert durch das Instrumentarium. Ring spielt mal E-Gitarre mal Mandoline. Gerade bei letzterem hat das einen eigenwilligen Akustik-Elektro-Reiz, der neben Rings formidabler Gesangsleistung maßgeblich zum Alleinstellungsmerkmal beiträgt.
Nach einer Stunde verlassen die fünf die Bühne, um für die zwei ausschweifende Zugaben „You Don’t Know Me“ und „Black Water“ zurückzukommen.
Das vielleicht berühmteste Apparat-Stück „Goodbye“, aus „The Devils Walk“, das in “Breaking Bad” verwendet wurde und als Theme-Song der hervorragenden deutschen Serie “Dark” seine mystische Aura verleiht, sparen sie aus.
Das kann man bedauern oder sich an der großartigen Umsetzung der dargebotenen Songs erfreuen, allen voran denen von „LP5“, die sich live erst so richtig begreifen lassen, wenn die akribische Handarbeit darin so wunderbar vor Augen geführt wird.
Ja, Apparat stehen im Schatten von Moderat. Für einen ähnlichen Ruhm umgehen die Songs vergleichsweise die allgemeinverträgliche Elektro-Melancholie.
Es sind viel eher Schatten an der Wand, deren Lichtblitze, gleich der Bühnenausstattung, umso heller leuchten und dann schwer beeindrucken.