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Die Höchste Eisenbahn – Live in der Alten Feuerwache, Mannheim

„Kinder von Idioten werden selbst oft Idioten, ich weiß“, heißt es in „Kinder der Angst“. Heute keine da! Weder Kinder, noch Idioten, noch Kinder von Idioten. Weder auf, noch vor der Bühne.

Das Die-Höchste-Eisenbahn-Publikum ist eines der friedliebendsten überhaupt. Eines, das die Requisiten für Songs wie „Rote Luftballons“ selbst mitbringt. Das Karma der Band.

„Die knotet ihr jetzt wieder auf, lasst die Luft raus, faltet sie zusammen, dann könnt ihr die nochmal verwenden“, sagt Francesco Wilking nach dem Song in einer scherzhaften Ansage für Nachhaltigkeit.

Unter allen aktiven deutschen Indiebands zählt Die Höchste Eisenbahn zu jenen mit der größten Musikalität. Ihre Platten glänzen neben geschicktem Songwriting und gewichtigen Lyrics, die sich nicht zu ernst nehmen, vor allem in den Details. Nachhaltigkeit: eben auch ein Kennzeichen ihrer Songs.

Die Synthesizer gefallen sich wohl überlegt und sind in ihrer geschmeidigen Einheit mit weichen Gitarrensounds geradezu fachmännisch ausbalanciert. Wie die vier ihre Songs auf die Bühne bringen, und wie gut sie live immer wieder klingen, selbst in einer nicht gerade durch feine Akustik bekannten Location wie der Alten Feuerwache Mannheim, nötigt großen Respekt ab.

Und dabei ist es gleich, ob nun Moritz Krämer Gitarre spielt und Francesco Wilking am Fender Rhodes Piano sitzt, oder umgekehrt. Ob beide Frontmänner gleichzeitig Gitarren spielen, sich den Gesang in den Strophen demokratisch teilen oder unisono die Chorus-Zeilen wiedergeben.

Überhaupt verzichten sie so gut wie immer auf eine Zweitstimme und klingen mit ihren eigenwilligen, unperfekten Gesangsleistungen doch vielstimmiger als mancher Männerchor.

Der äußerlich ständig mit Niki Lauda oder Helge Schneider verglichene Wilking – ersteres wegen der abgeranzten roten Basecap, letzteres wegen Brille und Frisur – bedient dann auch selbst ein bisschen den Vergleich, wenn er halb gekonnt, halb mit vorgetäuschtem Dilettantismus die Theremine an seinem Synthesizer-Reck anfuchtelt.

Kurz zuvor war die Band für zwei Shows in Österreich. „Wenn dir da einer sagt, du siehst aus wie Niki Lauda, dann musst du dich bedanken“, sagt Wilking, der ehemalige Bandchef von Tele, deren Gewieftheit er einfach unverfroren in den Höchste-Eisenbahn-Kontext übernommen hat.

Und dann ist da noch die Rythmusgruppe um Schlagzeuger Max Schröder und Alleskönner Felix Weigt, die stets im Kleinen den Unterschied suchen, statt muskulöser Akrobatik anheimzufallen.

Das gibt Songs wie „Wer Bringt Mich Jetzt Zu Den Anderen“ in die Verlegenheit, sich großartig aufzuschaukeln und Moritz Krämer den perfekten Solomoment in „Raus Aufs Land“ – einem der schönsten und klügsten Songs über brüchige Liebe seit „Junimond“.

Und wenn dann Zeilen wie „Ich sing‘ so lange, bis ihr mich alle liebt/ Ich sing‘ so lange, bis ihr euch alle liebt“, aus den Lautsprechern schallen, ist es umso schöner zu sehen, dass Die Höchste Eisenbahn inzwischen den Zuspruch genießen, den schon Tele verdient hätten.

Und trotzdem fällt das Weitersagen geradezu unter missionarische Pflicht. „Gib dir mal Mühe, na los, bemüh dich!“

Wer sich für heute ein Ticket gekauft hat, womöglich noch ein paar Euro am Merch-Stand gelassen hat, der hat sich schließlich nicht nur selbst belohnt, sondern auch was für das Karmakonto getan.

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