Wer in den letzten Jahren eine Live-Performance von Nils Frahm gesehen hat, hatte teilweise Schwierigkeiten, den Berliner hinter seiner Mauer an unzähligen Tasteninstrumenten zu finden. Auf seinem neuen Album „Graz“ klingt es so, als hätte er seine Synthesizer wieder abgebaut.

In jüngster Vergangenheit hat Frahm mit fast jedem erdenklichen technischen Hilfsmittel rumexperimentiert und seine Klaviersaiten gerne mal mit allem, was nicht niet- und nagelfest war bespannt – also aus einem wohltemperierten gerne ein wohl-präpariertes Klavier gemacht. Dieses Mal hat er sich wieder auf das Wesentliche fokussiert: Der Flügel und das Genie, das ihn bedient.

Allerdings hat sich Nils Frahm nicht back to the basics begeben – auf „Graz“ ist er tatsächlich am Anfang seiner Karriere zu hören. Die Aufnahmen stammen aus der ersten Session für sein jetziges Label Erased Tapes, die in der Universität für Musik und Darstellende Kunst 2009 in der titelgebenden Stadt aufgenommen wurde.

Die minimalistische Ausrüstung auf dem verspäteten Label-Debüt hindert Frahm allerdings nicht daran, ein ums andere Mal sein Facettenreichtum und sein Gespür für Dynamik zu demonstrieren. Virtuos erzeugt er unwiderstehlich aufreizende Spannung und schafft es in jedem Lied, eine individuelle Trance zu erzeugen.

Verträumt sentimentale Stücke reihen sich dabei nahtlos an psychedelische, techno-inspirierte Nummern. Die Highlights der neun Kompositionen auf dem Album sind jedoch nicht ganz neu:

„Went Missing“ und „Hammers“ wurden jeweils in Extended Versionen schon 2013 auf „Spaces“ veröffentlicht. Vor allem letzteres sticht durch sein vergleichbar hohes Tempo und den dezenten Stimmeinsatz gegen Ende heraus.

„Graz“ ist mitreißend, kann Nils Frahms neuere Alben mit ihren elektronischen und experimentelleren Ansätzen allerdings nicht toppen. Deswegen verpufft die Wirkung von „Graz“ leider ein bisschen.

Bei einer direkten Veröffentlichung vor 12 Jahren wäre das Album noch beeindruckender gewesen. Nichtsdestotrotz war Frahm schon 2009 ein Ausnahmetalent. Dabei ist es also umso wichtiger, zu betonen, dass er seitdem immer noch in der Lage ist, künstlerisch zu wachsen.

Sein Ruf als wichtigster deutscher Vertreter der Neo-Klassik ist also absolut gerechtfertigt.

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