Es gibt wenige Künstler, die die Veränderung als Dauerzustand ihrer Karriere erklären, ohne zu enttäuschen. Radiohead ist so eine Band. Oder eben James Blake (mit kleiner Einschränkung seiner letzten EP „Before“, auf der der sonst so introvertierte Brite plötzlich mit Robotik-Herz überdreht gen Club-Tanzfläche zappelte und die rotweingetränkte Melancholie alleine an der Theke stehen ließ.)
Wer James Blake deshalb schon von der Liste des blinden Vertrauens streichen wollte, dem sollte man jedoch schleunigst den Rotstift wegnehmen, denn mit „Friends That Break Your Heart“ bricht er nicht die Herzen seiner Fans, sondern erbaut aus seinen gesammelten Enttäuschungen eine Festung und setzt sich selbst auf Thron. Obwohl – dafür ist er wahrscheinlich viel zu schüchtern.
Irgendwie scheint James Blake sowieso nicht von dieser Welt zu sein. Stattdessen positioniert er sich mit seiner unglaublichen Kopfstimme irgendwo zwischen Himmel und Weltall und erlaubt sich wie nebenbei noch Dinge, die in anderen Händen die Kollision der Planeten als Resultat hätten.
Aber das hat James Blake nicht nur seinem Können zu verdanken, sondern auch seinem Mut. Denn wo andere aus Angst den barrierefreien Zugang wählen, läuft Blake lieber dem weißen Kaninchen hinterher und saugt mit staunenden Augen auf, was der freie Fall durch den Bau zu bieten hat.
Denn wer wagt sich schon, samtigste Wurlitzer-Klänge mit einer Stimme zu kombinieren, die vor lauter Gepitche so klingt, als hätte sie an einem Helium-Luftballon genascht und die Hauptrolle im nächsten „Chucky-die-Mörderpuppe-Streifen“? Und trotzdem findet man das in „Show Me“ zu keiner Sekunde befremdlich, sondern ist hin- und hergerissen, ob man Blake als Dank mit der ersuchten Liebe überhäufen will. Oder eben doch nicht, damit er niemals aufhört, solche Songs zu schreiben.
Wenn zwei Nummern vorher eine Computerstimme zu deftigen Beats „I’m so blessed you’re mine“ proklamiert, lässt man die Verwunderung über die Divergenz von Inhalt und Musik spätestens dann hinter sich, wenn Blake mit allerhand Spielerei einen kleinen Geisterchor aufleben lässt, der anschließend mit Radiohead-esken Streichen zur Hexenverbrennung berufen wird.
Natürlich hält „Friends That Break Your Heart“ auch wieder einige Kollaborationen bereit. So ergänzt Blake mit „Frozen“ und der Hilfe von JID und SwaVay seine Klangpalette mal wieder um Hip-Hop-Elemente oder huldigt gemeinsam mit SZA auf „Coming Back“ seinen souligen Wurzeln, die so auch auf jedem Dancefloor für ein bisschen Niveau sorgen könnte.
Man hat das Gefühl, dass James Blake sich mit „Friends That Break Your Heart“ völlig gehen gelassen hat – und das im besten Sinne. Denn auch seine Stimme treibt er so sehr an ihre Grenzen wie nie zuvor und scheut weder Höhen noch ausufernde Schnörkel oder bis zur Unendlichkeit gelooptes Vibrato.
Wem das zu weinerlich ist, der hat sein Herz und seinen Geschmack an der letzten Garderobe vergessen.