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Julia Shapiro – Zorked

“Zorked” beschreibt laut Julia Shapiro das Gefühl, berauscht, “high” oder “stoned” zu sein, was die Sängerin nicht immer auf Betäubungsmittel legaler oder illegaler Herkunft zurückführt – für die Frontfrau der Indie-Rocker Chastity Belt zeigte sich 2020, dass auch das Leben selbst ziemlich “zorked” machen kann.

Shapiros bestes Beispiel derzeit: ihr Umzug vom kalten Seattle ins sonnige und karrieretechnisch eigentlich vielversprechende Los Angeles. Denn statt des Eintauchens in die lebhafte Musikszene der Metropole waren pandemiebedingte Isolation, Ernüchterung und Stillstand an der Tagesordnung.

So warm das Klima mitten in Kalifornien ist, so kalt und distanziert nahm die Musikerin die Stadt zu Beginn der weltweiten Corona-Pandemie wahr und formte dementsprechend den Sound ihres zweiten Soloalbums, das gar nicht mehr so trocken und besinnlich wie der Vorgänger “Perfect Vision” von 2019 oder so verschroben und nostalgisch angehaucht wie die Platten ihrer Hauptband ist.

Der vorsichtig punkige Indie-Pop, der sich sonst so harmonisch neben ähnlichen Mitstreiterinnen wie Snail Mail und Soccer Mommy einfügt und einen Großteil von Shapiros gesamter Diskografie ausmacht, hat zwar immer noch seinen Platz auf “Zorked”.

Was aber im Opener “Death (XIII)” willkommen heißt, ist eine rauschende, verzerrte und düstere Soundwand, die von verhallten Vocals begleitet wird und eher an die Dream-Pop-Größen Slowdive erinnert als an grüblerischen und optimistischen Indie.

Das Selbstbewusstsein, das man sonst eher aus Shapiros Texten über nervige Machos und toxische Männlichkeit kennt, lässt sich nur erahnen – der ekeligen Angewohnheit mancher Männer etwa, Frauen zu mehr Lächeln aufzufordern, verpasst die Sängerin nach wie vor eine eindeutige Abfuhr.

Darüber hinaus dominiert eher Hoffnungslosigkeit das Album. Trotz der sommerlichen Temperaturen beschreibt die Sängerin ihre Zeit in L.A. als emotionalen Winter, der wenig Zuversicht zulässt und nur die Beschäftigung mit sich selbst und den eigenen Ängsten erlaubt.

In “Come With Me” vermengt Shapiro den neu entdeckten Shoegaze mit traurigen Radiohead-Anleihen ungefähr aus der Ära “OK Computer”, “Pure Bliss” verwäscht seine sich verbiegenden Gitarren und stürzt sie in tiefe Depressionen – wie My Bloody Valentine ohne jeglichen Antrieb zur Lebensfreude.

So abgenutzt der Begriff mittlerweile auch ist: “Zorked” ist das Paradebeispiel eines Corona-Albums, das die klammen Gefühle einer Welt der Einsamkeit, Unsicherheit und des Pessimismus einfängt. Jeglicher Mut, jegliche Selbstfindungsarbeit, die die Musikerin sowohl in ihrer Musik, als auch im restlichen Leben aufgebaut und gefunden hatte, scheint unwiederbringlich verloren zu sein.

Was Shapiro in ihren eigenen vier Wänden geschrieben und aufgenommen hat, versprüht Weltschmerz und Benommenheit – so muss es sich anfühlen, wenn man tatsächlich “zorked” ist.

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