Das zweite, je nach Lesart auch dritte, Album von Sophie Allison aka Soccer Mommy trägt die Bürde des gefeierten Vorgängers „Color Theory“, das 2020 in keiner ernsthaften Jahresbestenliste fehlen durfte.

Doch die Songwriterin aus Nashville/Tennesee unternimmt erst gar nicht den Versuch, das Album zu wiederholen. So schwer Zeilen über Depression und soziale Isolation darauf wogen, so unmittelbar und bisweilen süß fingen die Songs die Themen auf. Das hat sich auf „Sometimes, Forever“ geändert.

„I don’t know how to feel things small” singt Allison im Abschlussong “Still” – einem beatbefreiten Akustik-Stück, das am Ende einer deutlich größer gewordenen Sound- und Gefühlsspanne steht: Zwischen Up- und Downtempo, vollem Indie-Rock, widerspenstigem Singer/Songwriting und dem Mut, jeden Song individuell auszuproduzieren, steht ein deutlich heterogeneres Album als „Color Theory“.

Vieles entfaltet sich erst nach mehrmaligem Hören, hat eine rauere Oberfläche, die sich in graue Schleierwolken verkriecht. Das bezeichnend betitelte „Darkness Forever“ ist wohl das Düsterste, was Soccer Mommy je veröffentlicht hat.

Auf der anderen Seite: Wen die heitere Tragik von „Shotgun“ nicht bewegt, hat sich in die völlige Gefühlstaubheit verkrochen. Als Schutzschild vor der immer erdrückenderen Nachrichtenlage, bei der zwischen existenziellen Menschheitskrisen von Krieg, Hungersnot bis Klima kaum noch ein Fynn-Kliemann-Beitrag passt.

Und gerade hier entfaltet „Sometimes, Forever“ eben doch erneut das Potenzial, die Hornhaut über dem Herzen nach und nach abzutragen und sich an einem sehnsüchtigen „Bones“ zu wärmen, wenn gerade keiner zusieht.

Der kantige Indie-Rock, der an der ein oder anderen Stelle mit Drumcomputern untersetzt ist, er harmoniert prächtig mit Allisons melancholisch weicher Stimme, die sich dadurch als die letzte Verbündete in der Diffusität der Gegenwart aufbaut.

Bis man so viel Fantasie getankt hat, dass man bei den Synthesizer-Kaskaden in „With U“ an eine der positivsten Nachrichten der vergangenen Wochen denkt: Kate Bush steht dank der 80er-Revival-Serie „Stranger Things“ mit „Running Up The Hill“ 44 Jahre nach ihrem Erfolg mit „Wuthering Heights“ wieder an der Spitze der UK-Charts. Wann hat man sich zuletzt erhobenen Hauptes derart über eine Nummer eins Chartplatzierung freuen können?

Passend dazu singt Allison im mit jazzigem Beat verschachtelten „Unholy Afficition“: I don’t want the money/ That fake kind of happy/ I’d sink in the river/ Before I let it have me/ But I want perfection/ Tight like a diamond/ Unholy affliction/ Desires an addiction.” Nur einer unter vielen Songs, der Kate Bush genauso gut gefallen dürfte wie uns.

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