Nach Konsistenz und Geradlinigkeit fällt der Schweizer Tausendsassa Lukas Jäger alias Dagobert mit dem genauen Gegenteil auf. Wo soll man da denn jetzt anfangen?
Dass hier nichts verbunden und zusammen gedacht ist, überrascht bei den Rahmenbedingungen nicht: Ein nicht unerheblicher Teil der 11 Tracks stammt bereits aus früheren Albumproduktionen, war also mal Teil eines anderen Ganzen. Der Gedanke gefiel dem Schlager-Antihelden wohl so gut, dass dies der Gesamtplan wurde: Nichts ist miteinander verbunden, alles ist erlaubt.
Angefangen beim Albumtitel seines fünften Albums: „Bonn Park“ dreht sich nicht um Grünflächen in der ehemaligen Bundeshauptstadt, sondern heißt wie der befreundete Regisseur. Warum? „Es macht keinen Sinn, das Album so zu nennen – das war mir auch wichtig“, so der Schweizer.
Eine generelle Tendenz des Albums ist aber die Wiederannäherung an den Dagobert-schen Schlager-Kern, der noch auf dem 2021er Vorgänger „Jäger“ dem alternativen Pop-Experiment den Vortritt ließ.
Nun sind es wieder die treudoofen Casio-Synthesizer-Exzesse, die das Klangbild dominieren. Streicher aus der Dose, lachhaft dramatische Arrangements und phrasenschwangere Liebeslieder zum Bügeln machen einen Großteil der Songs aus.
Ob es sich allerdings, wie er selbst behauptet, tatsächlich um Dagoberts musikalisch fröhlichstes Album handelt, ist diskutabel: Durchaus gibt sich „Bonn Park“ der typischen Schlager-Euphorie hin, jedoch ist die Tracklist gespickt mit authentisch wehmütigen Momenten.
Direkt im Opener „Ich verlasse dich“ etwa, der zum traurigen Slowdancen und Melancholieren einlädt, bis ein sexy Saxophon wieder auf den Boden der Absurditäten zurückholt.
Oder in „Der Tag, der nie verging“, dessen schleppender und klavier-getriebener Folk-Pop wie ein grauer Regentag klingt, der tatsächlich nie zu Ende gehen will und immer mehr zu herzzerreißendem Pomp eskaliert, bis das letzte Drittel in barocken Existenzängsten mündet.
Den Gipfel erreicht das „Kometenlied“, das irgendwo zwischen Pink Floyd und Kraftwerk in synthetischen Universen langsam in Richtung transzendentaler Erleuchtung schwebt. Weiter weg von der bizarren wie mörderischen Cuckhold-Fantasie im Synth-Pop von „Meine verheiratete Frau“ einige Lieder zuvor geht es nicht mehr.
Dagobert zeigt sich auf „Bonn Park“ außer Rand und Band mit seinen Gefühlen, ist am stärksten außerhalb der formulaischen Liebesschnulzen und offenbart immer mehr sein musikalisches Genie unter dem Schlager-Schleier, dem er mittlerweile selbst immer kritischer gegenüber steht.
Der Mief des Post-Alexander-Marcus-Hypes scheint wie ein weit entferntes Schreckgespenst, zurück bleibt ein weiteres faszinierendes Werk der allzu real wirkenden Kunstfigur Dagobert – High-Art-Trash mit Tiefgang.