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Jochen Distelmeyer – Live im Naumanns, Leipzig

Zu zwei Dritteln gefüllt ist das Naumanns im Felsenkeller, als Jochen Distelmeyer mit seinen drei Mitstreitern am gestrigen Mittwoch dessen Bühne betritt.

Unter denen, die wegen ihm hierher gefunden haben, sind augenscheinlich viele Anhänger aus jenen Tagen der Hamburger-Schule, als seine differenzierten Analysen zu System und dem „L’État et moi“-Verhältnis den Blick auf die Komplexität der Verhältnisse schärften.

Darin stets wesentlich war Zwischenmenschliches, welches sich im Verlauf seiner Karriere zunehmend in seinen Texten spiegelte, mit denen mehr als nur ein „Lied von zwei Menschen, wie Liebe sich anfühlt“ aus seiner Feder Hoffnungsanker in Social-Media-Sturm und Breaking-News-Gewitter wurde.

„Zurück Zu Mir“ zum Konzert-Auftakt gerät so zur Reise zurück in die Zeit, als die Zweifel am Lauf der (gesellschafts-)politischen Dinge noch im faktenunterlegten Diskurs besprochen, „Gefühlte Wahrheiten“ nicht zwangsläufig einen Aufmarsch mobilisierte und das Herz noch ein Wörtchen mitzureden hatte.

„Du siehst das alles viel zu eng, komm’ mal runter und sei nicht so streng“ trällert sein Vize-Ego dazu und entsprechend hat der Wahlberliner neben dem Blick auf die dystopische Realität jede Menge Trost zwischen den Zeilen im Gepäck und vor allem „Bock“, diese mit Leipzig zu teilen.

So wie sich die Musik seiner Band über das klassische Set aus Gitarre, Schlagzeug und Bass hinaus entwickelte, erweiterte Distelmeyer das Singer/Songwriter-Fundament seiner Stücke mit Pop, R&B und Funk, dessen Vielschichtigkeit nicht zuletzt wegen des soul-triefenden „Tanz Mit Mir“ den Abend kurzweilig gestaltet.

Neben aktuellem Material wird nicht die zornige Frage „Wohin Mit Dem Hass?“ gestellt, sondern, seiner gegenwärtigen Präferenz folgend, „Lass Uns Liebe Sein“ vom Solo-Debüt „Heavy“ gespielt, bei Britney Spear`s „Toxic“ von „Songs from the Bottom, Vol. 1“ sind Hüften wie Stimmbänder in der kleinen Venue bereits heftig in Bewegung.

Letztere sind später auch bei den Blumfeld-Nummern des Abends, bei denen die der Alben 1-3 ausgeklammert bleiben, gefragt, haben „Tics“, „Eintragung Ins Nichts“ oder „Anders Als Glücklich“ reichlich Mitsing-Potential zu bieten.

Zwischen den Songs gibt er den eloquenten Entertainer, der sein Publikum musikalisch („Lass uns Leipzig sein“) abholt, launig plaudert und die Anwesenden von seinem frühen Erstkontakt mit der Stadt via WGT teilhaben lässt.

Der Protagonist tritt nach dem emotionalen Highlight „Wir Sind Frei“, bei dem sich alle lautstark dieser Illusion hingegeben haben, erstmalig ab, läutete unmittelbar danach mit „Komm (So Nah Wie Du Kannst)“, dem „Tausend Tränen Tief“ der neuen Platte, den Zugabenteil ein.

Einige Lieder später fühlt es sich auf dem kühlen Heimweg an, als hätte sich die Musik der vergangenen Stunden wie eine warme Umarmung um die Schultern gelegt.

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