Entgegen dem Albumtitel „Premonition“ („Vorahnung“) war nicht vorhersehbar, dass sich das Release der neuen Platte von White Lung Jahr um Jahr nach hinten verschieben würde. Denn auf Schwangerschaft folgte Pandemie folgte Schwangerschaft. Nach sechs Jahren erscheint nun endlich der fünfte Longplayer – und damit auch ihr letzter. Die Kanadier*innen verkündeten im September 2022 das Ende der Punk-Rock-Band.
Unmittelbar nach (dem stellenweise zu poppig geratenen) „Paradise“ aus 2016 sollten die Arbeiten an einer neuen Veröffentlichung beginnen. Nach eigener Aussage von Frontfrau Mish Barber-Way betrat sie das Studio mit Whiskey und Zigaretten und verließ es mit einem positiven Schwangerschaftstest. „Premonition“ sollte im Juni 2019 rauskommen – ebenso auch ihr Sohn, weshalb eins von beiden verschoben werden musste.
Über weite Strecken steht das Album damit im Zeichen der bevorstehenden Mutterschaft. „I felt like all my creativity was being sucked into the fetus“, beschreibt Sängerin Mish ihre Ernüchterung in vielerlei Hinsicht ob der anfänglichen Schreibblockade und dem Entstehungsprozess von „Premonition“.
So beschäftigt sich das rastlose „If You’re Gone“ mit den Emotionen aus Sicht zurückgelassener Kinder angesichts der Abwesenheit ihrer Eltern. Bedrückende Themen wie Wochenbettdepressionen und Suizid gingen dem Songwriting voraus. Melancholische Melodiebögen kontrastieren hier die polternden Drums von Schlagzeugerin Anne-Marie Vassiliou.
Wie beängstigend und aufwühlend die bevorstehende Zäsur sein kann, zeigt das wuchtige und abgeklärte „Date Night“. Mit keinem Geringeren als Gott selbst, natürlich besoffen, cruisen White Lung in seinem Cadillac durch Hollywood und verabschieden sich von ihrem alten Leben, indem sie es anzünden.
Auch das eingängige „Tomorrow“ mit seinen kühnen Riffs ist geprägt von Neugeburt. Mit Zeilen wie „We’ve grown past yesterday“ und „You are a new start forever, forever“ entreißen sich White Lung gänzlich allem Vergangenen.
Emotionsgeladen prescht das treibende „Girl“ nach vorne, gefolgt vom romantischen „Bird“. Die Liebeserklärungen an und Vorfreude auf das ungeborene Kind umrahmt Kenneth William mit seinen ausdrucksstarken und melodischen Gitarrenlicks, die sich fortlaufend zu einem Stromgewitter verdichten.
Für einen Augenblick der Ruhe sorgt das von Innenschau gezeichnete „Under Glass“. Egal, ob schwermütig arrangiert oder hyperaktiv klampfend, „Premonition“ überzeugt mit wohlwollender Catchiness.
Für ihren letzten Wurf wendeten sich White Lung abermals an den Produzenten Jesse Gander, der bereits für die ersten drei ihrer Alben verantwortlich zeichnen durfte – darunter auch das allseits hochgelobte „Deep Fantasy“ in 2014.
Mit viel harmonischem Krach und Karacho verabschieden sie sich nach 16 Jahren Bandgeschichte während dieser knapp 30-minütigen, allerletzten Schussfahrt. Wandel und Windeln geben den Ton an, ohne dabei musikalisch an Kratzbürstigkeit einzubüßen.