Für den „Vollkontakt“ sind bei Marteria-Konzerten traditionell „Die Letzten 20 Sekunden“ vorgesehen, darüber hinaus passt zwischen seine Musik und deren Fans in der Regel kein Blatt Papier, was den 2022er Tour-Slogan plausibel macht.
Bis zum physischen Zusammentreffen mit dem Rostocker liegen am gestrigen Montag rund zweieinhalb Dutzend Songs, für die sich, trotz dessen, dass der Wochenstart nicht unbedingt als idealer Zeitpunkt für eine ausgelassene Party gilt, die Leipziger Arena gut zur Hälfte gefüllt hat.
Zunächst heizt Nina Chuba ein, kann die Senkrechtstarterin den Saal zwar nicht soweit aus der Reserve locken, einen Moshpit zu bilden, macht mit ihrem Drummer aber ordentlich Druck und überzeugt nicht nur mit ihrem Hit „Wildberry Lillet“.
20:30 Uhr startet dann Marten Laciny mit dem eingängig-poppigen „Marilyn“ vom aktuellen Album seine Show, gibt gleich danach „Love, Peace & Happiness“ das Motto einer Veranstaltung vor, in der ihr Protagonist wenig Wünsche offen lässt.
Der Fokus des Sets liegt auf den Nummern von „5. Dimension“, daneben liefern er und die Crew um Kid Simius diverse Klassiker, kompensieren den dünnen Sound in der Halle mit kompromissloser Lautstärke.
„Endboss“ schüttelt den Schnee vom Dach und die Menge durch, wird via „Scotty Beam Mich Hoch“ jedes „Marteria Girl“ auf die Schultern des zugehörigen Boys und alle zusammen auf ein musikalisches Ekstase-Level transformiert.
So hat der Gastgeber wenig Mühe bei der Publikumsanimation, die „Alle Hände hoch“ Aufforderung von der Bühne erübrigt sich größtenteils.
„Genieß’ deine Zeit bis zur Revolution!“ geht am Ende vom geopolitisch aktualisierten „El Presidente“ als Rat an die Diktatoren der Welt raus – die Crowd im Saal zeigt, wie so etwas geht.
Ob die von der Brasilianerin Odara Sol angeheizte Straßenkarneval-Einlage, dem Durchdrehen bei „Bengalische Tiger“, dem Dahingleiten mit „Blue Marlin“, Mitsingen bei „OMG!“ und „Kids (2 Finger An Den Kopf)“ oder Chillen auf „Lila Wolken“ – die gut getimte Choreografie macht den Abend zu einer kurzweiligen „Welt Der Wunder“.
Zwischen Battletracks und Tanzbefehlen bleibt Marteria eloquenter und authentischer Künstler, ein „Strandkind“ mit klarer Attitüde jenseits von Genre-Klischees, der sich nicht nur mit der aktuellen Dokumentation „Der Amazonas Job – Der Wald ist nicht genug“ für weit mehr als Entertainment engagiert.
Während des Konzerts schaut Marsimoto kurz vorbei und hat eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: es gibt demnächst ein neues Album. Die Schlechte: es wird sein letztes sein – Marsi geht die Luft aus.
Wer die Wall of Death während „Adrenalin“, dem Song, den Marteria-Buddy und Duett-Partner Casper vor kurzem im Haus Auensee adäquat intensiv ablieferte, unbeschadet überstanden hat, wird wenig später – mit dem gleichnamigen Hormon vollgepumpt – auf dem kalten Heimweg sicher nicht gefroren haben.