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Mariybu – Slaybae

Kulturclash vom Feinsten. Auf der einen Seite der in der oberbayrischen Provinz aufgewachsene Autor und Mittvierziger, ihm gegenüber die junge Hamburger Großstadtrapperin Mariybu in der Selbstfindungskrise. Da prallen Welten aufeinander, nicht nur wegen des Nord-Süd-Gefälles.

Mariybu rappt und produziert selbst, seit sie über den 365 Fe*Male MCs Blog von Lina Burghausen gestolpert ist. Bezeichnet sich gerne als bossy und bitchy und spart auch sonst nicht mit denglischer Fremdwortaneignung. Passt auch zur arg (queer) sexualisierten Themenwahl ihres Debütalbums.

Als Hörer*in lässt man sich gerne drauf ein, nur leider hat die gute Dame auf Albumlänge dann doch nicht soviel zu sagen, wie man vermuten würde. Die meisten der neun Tracks auf “Slaybae” spielen sich im Zweieinhalb-Minuten-Kosmos ab und klingen wie die östrogengetränkte Rrriotgirl-Variante von Peter Fox, der sich durch die B-Seiten-Produktion von Deichkind rappt.

“Nicht nur ne Bitch, auch ne Slut” – mit solchen Parolen möchte Mariybu gerne klarstellen, wo sie sich sieht, als “Feministal Fighter”. Das ist aber auch das einzig relevante Statement das sie abgibt – und das schon auf dem Opener “Politschlampe”.

Ja, da kann man eigentlich nur kurz abnicken und Titel wie “Slutty Squirt Juice” oder “Hot Girl Shit” als das abtun, was sie sind: Die Selbstfindungsreise einer Großstadtgöre, die – verbal austretend – ihre Zugehörigkeit in den Randgruppen der Gesellschaft sucht. Oder so.

Jedenfalls bekomme ich bei solchen Titeln Lust, eine Punkband mit dem Namen “Cumshotopfer” zu gründen. Mariybu hingegen lässt sich nicht wirklich im Hip-Hop verorten, was spätestens beim Videospielpluckern von “Walkie Talkie Booty Call” klar wird. Klebrig süßer als der besungene Lollipop haftet sich der Song unangenehm ins Gehör, was auch am exzessiven Denglischeinsatz der Protagonistin liegt.

Hyperpop ist das Stichwort der Stunde, was zum “pitch-all-Sounds und rappe drüber” durchaus passend ist. Bei “Datenight” vermag man sogar sowas wie Saitenklänge vernehmen, bevor wieder computergenerierte, basslastige Klänge das Kommando übernehmen. Mariybu hingegen gibt sich einem Uniformfetisch hin mit Textzeilen auf Bravo-Fotolovestory-Niveau.

“Was soll ich im Himmel” featured Skofi, was die Nettospiellänge aber auch nicht wirklich mit Mehrwert füllt. Der Teufel wird mit pumpenden Elektrobeats geknechtet und als Hörer*in hofft man nicht nur insgeheim drauf, dass man von einem “Alien” entführt wird.

Blöd nur, wenn Mariybu eben dieser Alien ist. “Ja ich bin ein Alien und du checkst mich nicht” bringen die vocoderverzerrten Rapeinlagen von Mariybu auf den Punkt.

Gut, dass “1000 missed calls” zumindest im Chorus einen Ausflug in erträgliche Popgefilde macht. Die bitchy Attitüde wird mit “hab keine Zeit auf euren Scheiss” Lyrics untermauert, was man heutzutage aber auch keiner Zwölfjährigen mehr als Coolsein verkaufen kann.

Ihre wirklich besten Momente hat Mariybu, wenn sie mal den dicken Bosspelzmantel ablegt und bei “Ganz raus” die Emotionen auspackt. Im gemächlichen Beatpuls schwoft man sich in die Sehnsucht und stimmt versöhnlich.

Mit dem Baseballschläger und einer 180° Drehung gibt es aber gleich an- und abschließend “Hot Girl Shit”. Deichkind-Sound und Selbstwertlyrics pumpen dramatisch durch die Gehörgänge. In mir selbst steigt aber nur der Drang, ihr mal auf die Schulter zu klopfen und “alles wird gut” zuzuflüstern.

“Slaybae” ist ein auf die Aufmerksamkeitsspanne der Generation Z optimiertes Produkt. Es wird sicherlich Zuspruch in der Szene finden. Ich selbst möchte diese Rezension altersmilde mit den Worten des von mir sehr geschätzten Stephan Jenkins schließen: “Convinced you’ve found your place – With the pierced queer teens in cyberspace”.

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