Was kommt zuerst ? Resignation oder Akzeptanz ? öffnet beides für einen optimistischen Blick in die Zukunft ? Der Mensch neigt zu einer Verklärung der vermeintlichen besseren Vergangenheit, findet die Gegenwart nicht erst seit Corona und Klimawandel am aussichtslosesten und muss sich nebenbei noch mit zwischenmenschlichen Emotionen herumschlagen. Das haben die Australier von RVG auf ihrem dritten Album „Brain Worms“ erkannt und lyrisch aufgearbeitet.
Ja und wie! Romy Vagers textlastiges Songwriting bemisst jedem Wort Bedeutung bei und kokettiert mit eingangs erwähnter Resignation bis hin zur totalen Wurstigkeit. Ob als titelgebende Feststellung bei „Nothing Really Changes“ oder als tragisches Loslassen, wenn „Common Ground“ wie ein Mantra „You don´t want me“ betet.
Vager watet im Schlick der Gefühle. „I worked myself to the bloody bone“. Arbeitet sich auf daran, nur um kurz darauf festzustellen: „the talking to you doesn’t work anymore – so I don´t“. Genug gesagt.
Musikalisch irgendwo zwischen New Wave und Postpunk angeordnet, lassen RVG beim bereits erwähnten „Common Ground“ und „It’s Not Easy“ Vagers kontrollierte, nasale Stimme von luftigem Gitarrenspiel tragen.
Bei „Midnight Sun“ spielen RVG mit The-Clash-Attitüde. Verträumte Akkorde lassen das tragische „Tambourine“ in höhere Sphären entgleiten und führt uns die Absurdität der heutigen Zeit vor Augen, wenn man ein Begräbnis als Online-Stream verfolgt und dabei neben den eigenen Gefühlen auch noch mit schlechter Musikuntermalung zu kämpfen hat.
Abwechslungsreich die genannten Genres durchforsten und dabei einen ganz eigenen Sounddialekt bewahren, das beherrschen Vagers Mitstreiter Blaxham, Wallace und Nolte.
RVG behalten sich einen ironischen, zynischen Unterton vor, was Vager beim verschwörungstheorien-schwangeren „Brain Worms“ am besten gelingt. „I’m too old for this shit, I used to be a journalist, but now I am yelling at my therapist“. Rumpelnd knarren dazu die Gitarren, Vager erinnert an einen jungen Michael Stipes und die Hörer*innen werden mit der knallharten Realität des unverstandenen Verschwörers konfrontiert. „Nobody knows what I’ve been screaming about“.
Den Zeitgeist einzufangen, gelingt Vager auch mit „You´re The Reason“, wenn er sich ewig zweifelnd an einer Beziehung abarbeitet oder davon träumt, sich in einen Tintenfisch zu verwandeln. Ernsthaft, das hat sich doch jeder von euch schon mal vorgestellt, oder ?
„Squid“ jedenfalls ist sozialkritisch und definitiv nichts, was man hören sollte, wenn man an einer Persönlichkeitsspaltung leidet. Der hingerotzte, halleffektverstärkte Chorus „Don´t go back in time, it´s not worth it“ steigert sich immer weiter in eine manische Resignationshymne. Ja, die Vergangenheit war auch nicht nur Calippo Eis und BMX fahren.
„Nothing Really Changes“ zergeht im New-Wave-Keyboardfieber und einem Refrain, der seit den 80ern in unseren Knochen steckt, bevor „Tropic Of Cancer“ das Album, optimistisch in die Zukunft blickend, beschließt.
„Weirdest shit i´ve ever seen“ ist „Brain Worms“ zwar sicher nicht, aber die Romy Vager Group kann sich ins musikalisch Beste einreihen, was Post-Corona 2023 veröffentlicht wurde. Romy Vager erhöht einmal mehr das Level an Aussagekraft, das sich auf dreiminütige Songs bannen lässt, während der Rest der Band im New-Wave Sound planschen geht.
„Brain Worms“ gehört dabei zum lyrisch Abgeklärtesten, das sich seit Charles Bukowski so getan hat und genau das hat uns doch gefehlt.