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Neuschnee – Der Lärm der Welt

„Unsere Geschichte ist ähnlich, wie die von der ältesten Stadt, die an ihrem Hauptplatz vor allem Banken und Parkplätze hat/Ein Museum im Herzen und davor ein Hund, der laut bellt. […] Ganz leise, leise ist es nie“.

Neuschnee, die Wiener Kammerpop-Formation um den Berliner Komponisten und Sänger Hans Wagner sucht im „Der Lärm der Welt“ die eigenen Töne. Die, die unverkennbar sind.

Im eröffnenden „Ganz Leise“ kollidieren deshalb bereits sanft-puristische Holzschlaginstrumente und gezupfte Streicher mit aufbrausendem Avant-Pop.

Die Atmosphäre wandelt sich im Laufe der Platte zwischen bedrückt, erhaben und schwelgerisch. Die Mittel bleiben dieselben: Stakkato-Streicher, Bläser-Einsätze, kantige Gitarrensolos und wenn es sein muss, ein elektronischer Beat, die in Summe ein homogenes Mosaik von Album zeichnen.

Im 16-minütgen Titelsong an letzter Stelle steckt er dann endgültig drin, der „Lärm der Welt“: Verkehr, Hupkonzert, Hämmern, Martinshorn, untermalt mit 12-Ton-Musik, Tremolo-Streicher und zum Ende Klassik-Pop mit Sprechgesang.

Das ist alternative Kammermusik par excellence, dargereicht mit einem imposanten Coverartwork und einer Stimme zwischen Philipp Poisell und Moritz Krämer. Von einer 2006 gegründete Band, die an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien ihre künstlerischen Fähigkeiten erwarb und ihre Ambitionen auftürmte, vergleichbar mit der Grandezza von Klez.e.

Wo sich letztere dem Indie verpflichtet fühlen, greifen Neuschnee nach der Klassik. Die poetische Lyrik, gleich einem Postmodernen Franz Schubert, tut ihr Übriges.

Das heißt keinesfalls, dass Neuschnee sich mit Nachdruck der Hochkultur verpflichtet fühlen. Sie funktionieren vielmehr zwischen den Stühlen, und das könnte letztlich Fluch und Segen sein.

Denn es besteht die latente Gefahr opulenter Kammermusik – fürs Feuilleton zu groß, für die Arena zu klein. Es wäre Neuschnee zu wünschen, dass sie diesen gordischen Knoten aufbekommen.

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