Es wird Zeit, sagen Skinny Lister. Zeit für das erste Konzept-Album in der nun schon 14 Jahre langen Geschichte der britischen Band. Spannend, denn die Tradition von Konzept-Alben ist eine lange, tiefgründige und verrückte.
Das Quintett nimmt das Ganze allerdings etwas lockerer und zielt weniger auf ein neues „The Wall“ oder „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ ab. Denn das Thema von Skinny Listers Konzept-Album ist: Skinny Lister.
Die Band versucht, sich mit „Shanty Punk“ an einer möglichst puren und unverfälschten Abbildung der musikalischen DNA, die ihren feucht-fröhlichen Folk seit nun schon fast anderthalb Jahrzehnten antreibt.
Es ist die so oft angestrebte Rückkehr zu den Wurzeln, die von legendären Bands wie The Pogues oder The Dubliners inspiriert und auf Tradition und Authentizität aufgebaut sind. Mit der Zeit wuchsen und entwickelten sich Skinny Lister natürlich und griffen Zeitgeist und Modernität auf. Das Heranwachsen zeigte sich in Pop- und sogar frischen Indie-Ansätzen, etwa auf dem letzten Album „A Matter of Life And Love“ von 2021.
Nun trügt der Albumtitel vom neuen „Shanty Punk“ etwas, denn so viel Punk steckt in den 11 Songs gar nicht – alleine das Fehlen von jeglichen verzerrten und sogar elektrischen Gitarren fällt auf. Dafür überwiegt der andere Teil des Namens grob gesehen, denn Mitsing-Lieder sind in Verbindung mit erdigem Irish Folk die tragende Kraft.
Die Stimmung ist ausgelassen, die Energie hymnenhaft. Akustik-Gitarren, Streicher und Banjos fiddeln sich gegenseitig in Ekstase, während Dan Heptinstall und gelegentlich Lorna Thomas die üblichen Geschichten über Lebensmühen und Folk-Figuren singen.
Schnell wird allerdings klar, dass sich vieles häuft und doppelt. Immer mehr Songs liefern auffallend ähnliche Hooks und Melodien, alle sind sie voller Pathos, der sicherlich authentisch gemeint ist, allerdings schnell an Glaubhaftigkeit einbüßt und die Nerven strapaziert.
Solch ein achtloses Songwriting war man von Skinny Lister bisher nicht gewohnt – nicht in der Anfangszeit und schon gar nicht heutzutage. Absolut nachvollziehbar ist es, in alten Erinnerungen zu schwelgen. Fraglich wird es, sobald die Band dafür ihre Integrität opfert.
Es bleibt zu hoffen, dass „Shanty Punk“ lediglich ein kleines Gimmick-Album für zwischendurch sein sollte, um sich etwaige Altlasten aus dem System zu schreiben, bevor es wieder in bessere Gefilde geht. Mitgröhlen im Pub ist hier nämlich schwer vorstellbar.