Ein Winter ohne Beirut ist ein verlorener Winter. Einer mit der Band stets etwas weniger hart. Seit ihrem Debüt „Gulag Oskestar“ taugt das Songwriting von Mastermind Zach Condon schließlich bestens für den Schneeflockentanz und den inneren Kamin bei äußeren Minusgraden.
Näher an dieser gefühlten Wahrheit waren Beirut allerdings noch nie als mit ihrem sechsten Album, das nicht nur gegen die Kälte, sondern vielmehr in der Kälte des Hohen Nordens entstand, wo die Sonne kaum den Horizont übersteigt. Erstmalig reicht der Balkan-Pop der US-Amerikaner bis an Norwegens Fjordlandschaft.
Nach einer abgesagten Tournee 2019 in Folge von Halsproblemen, suchte Condon, von Selbstzweifeln geplagt, die Abgeschiedenheit. In einer kleinen Hütte auf der norwegischen Insel Hadsel, die der Platte ihren Namen gab, schrieb er an einer Sammlung von 12 Songs, die so viel Wärme transportieren, dass sie die Teekanne zum Klingen bringt.
Das ist umso beachtlicher, als dass ihm das unter zu Hilfenahme eines Instruments gelingt, das in der Regel eher für eine forsche Kühle steht. Auf der Insel traf er auf einen Orgelliebhaber, der ihm Zugang zu einer Kirche verschaffte, wo Condon erstmals auf einer Kirchenorgel spielte und die Basis für die Platte legte.
Das Titel- und Auftaktstück macht dann auch direkt deutlich, wie besonnen er damit umzugehen weiß. Die Orgel gleicht hier einem Dressurritt, sacht galoppierend, phrasiert, und lässt jederzeit nach oben Raum für die unnachahmlichen Bläser, die erneut Beiruts Eigenständigkeit zelebrieren, wie Fanfaren zu Hofe.
In „Island Life“ legt die Orgel einen moosigen Teppich unter die heimelige Abgeschiedenheit der Inselbewohner, im instrumentalen „Melbu“ genügt sie sich beinahe selbst. Sie überlagert nie, spielt eher eine herausragende Nebenrolle, die weniger aufdringlich ist als ein bemerkenswerter Titel wie „Süddeutsches Ton-Bild-Studio“, das mit dem Sammelsurium aus dem Percussion-Koffer seine Atmosphäre schafft.
Condon hoffe, dass die Schönheit der Berge und Fjorde auf der Platte widerhallt. Vor allem aber trifft „Hadsel“ die eigenwillige Schönheit seiner Vorzeigeband Beirut, um damit locker durch den Winter zu kommen.