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Dagobert – Schwarz

Ist das Kitsch oder Kunst? Ironie oder Ernsthaftigkeit? Schlager oder Popkultur? Je düsterer Dagobert schreibt, desto drängender werden die Fragen. Gerade, weil der Schweizer Chansonnier inzwischen auf alles Artifizielle verzichtet und vielmehr seine Stimme mit den expliziten Songtexten nahezu nackt über dem puristischen Synthpop ausstellt und dabei auf der Farbpalette der Grautöne bis ins Tief-„Schwarz“ skatet.

Mit den Zeilen „Todessehnsucht / Nur der Tod / Nur er lindert meine Not“ eröffnet Lukas Jäger, wie Dagobert eigentlich heißt, sein sechstes Album. Das ist in gewisser Weise angelehnt an Franz Schuberts Liederzyklus Winterreise, dem zwischen den Zeilen und Tönen eine vergleichbare Lebensmüdigkeit der Liebe wegen innewohnte.

Und doch wird Schubert, respektive Wilhelm Müller, von dem die Texte stammen, nie auch nur ansatzweise derart explizit und fasslich wie Dagobert. „Die Blumen auch/ Ihre Köpfe hängen runter so wie meiner bis zum Bauch“:

Wer solche Zeilen schreibt, versteckt keine doppelten Böden. Wer so schreibt, will auch von Kindern und SWR-4-Hörer*innen verstanden werden – oder aber er muss sich den harten Vorwurf morbider Ironie gefallen lassen.

Für Letzteres fehlen den Zeilen allerdings die Auflösungen und somit die Indizien für eine fehlende Ernsthaftigkeit. Denn Dagobert verzieht in seiner Stimme keine Miene, zu keiner Zeit. Auch dann nicht, wenn er sein Trübsal zwischen Harfen, Flöten und Kirchenorgeln ein paar Minuten später konterkariert. „Es ist alles erlaubt, wenn das Glück zu dir lacht.“

Durch die Reduktion im Sound, den ätherischen Hintergrundkulissen und dem ein oder anderen unwahrscheinlichen Instrument entfernt er sich ohnehin eher weiter vom Schlageresquen, als sich diesem anzubiedern. Auf einen idiotischen Four-To-The-Floor-Mitklatschsong konnte er sowieso schon immer verzichten.

Stattdessen wird es an manchen Stellen regelrecht lyrisch: „Montag, die Wolken ziehen rückwärts, sie werden eingesogen von der Nacht/ Dienstag, die Tiere ziehen südwärts, die Schlauesten haben das schon längst gemacht.“

Also zurück zur Eingangsfrage: Ist das Kitsch oder Kunst? Die Antwort: Ein Stück von beidem und gerade deshalb bis auf Weiteres so besonders.

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