Johannes Döpping ist ein Chamäleon. Sein selbst ausgesuchter Name ist Josen Bach, der Leipziger ist hauptberuflich Drummer, außerdem auch Theatermusiker und Schlagzeuglehrer. Und seit dem 2019er Debütalbum „Näher am Ergebnis“ auch Bandleader von Die Quittung.

Auf dem Album gibt sich Döpping äußerst wandelbar: Die Quittung tummelt sich zwischen Weirdo-Indie und schillerndem Glam-Alternative in merkwürdigen, leicht poppigen Songs, die weniger von Gitarren und mehr von Synthesizern leben.

Dazu schwankt der Songwriter zwischen erinnerungswürdigen Hooks und Spoken Word, will in erster Linie aber einfach erzählen, was ihm gerade einfällt. Danger Dan nennen einige hier als Referenz, sogar Rio Reiser wagen andere zu nennen.

Der Anfang war für Döpping aber ultimativ nicht theatralisch genug. Ob das an seiner Theatermusik-Neigung zu liegen scheint oder eine einfache Entwicklung ist, die er nach dem ersten Streich braucht: „Einfrieren“ findet schon in den ersten Sekunden eine ganz eigene Identität.

Die Initiation dafür übernimmt gleich ein Klavier, das den Ton für die zehn Songs angibt und neben der elektrischen Gitarre die Themen vorgibt – zumindest die musikalischen.

Denn die inhaltlichen gibt Döpping mit seiner Stimme noch selbst. Die klingt auf „Einfrieren“ ungleich rauer und spontaner, gerät oft in einen lockeren Singsang, der es sich nicht zur Aufgabe gemacht hat, schön oder konsistent zu klingen.

Denn, wenn der Bandleader anfängt zu singen, wirkt es, als würde er einfach in einem durchgehenden Strahl alles herauslassen, was ihm gerade in den Sinn kommt. „Stream of consciousness“ nennt der Literaturwissenschaftler diese narrative Form in Romanen.

Döpping erzählt und erzählt – mal einfach murmelnd, manchmal verfestigter. Oft klingt er dabei melancholisch, manchmal gibt er sich witzig und sogar ironisch, grundsätzlich sind die gesungenen Erzählungen aber beobachtend und er lässt seine krude Umgebung auf sich wirken.

Die Musik darunter passt sich dabei immer eng dem Gesagten an und ist in seiner Natur behutsam, bittersüß und jederzeit ein authentischer, wild zusammengeschmissener Mix aus Reiser, The Stranglers und Locas In Love.

Als klassisches Album taugt „Einfrieren“ mutmaßlich nicht viel – dafür ist der Stilbruch einfach zu groß. Betrachtet man das Album aber eher als Musik gewordener Monolog eines Theatermenschen, so entfaltet sich hier erst die Kraft, die in der Platte schlummert.

Wie bei einem tatsächlichen Monolog, der von einem meisterhaften Akteur gesprochen wird, möchte man mitlachen, mitweinen und vor allem mitfühlen.

Das alles schafft Die Quittung, ohne prätentiös zu werden. Dafür hat Johannes Döpping auch keine Zeit – dafür hat der Berufsmusiker zu viel zu tun sowieso zu viel zu verlieren.

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