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Lol Tolhurst And Budgie And Jacknife Lee – Los Angeles

Los Angeles frisst seine Kinder. Das mag in aktuellen Zeiten durchaus eine kontroverse Aussage sein. Aber Lol Tolhurst, Budgie und Jacknife Lee wissen, wovon sie sprechen. Leben doch der Ex-Drummer von The Cure (Tolhurst), der frühere Schlagzeuger von Siouxsie And The Banshees (Budgie, bürgerlich Peter Edward Clarke) sowie der Multiinstrumentalist (Lee) seit Jahrzehnten in der Stadt der gefallenen Engel.

Lol Tolhurst und Budgie hatten, damals noch mit Bauhaus-Drummer Kevin Haskins, das Verlangen, ein Supergroup-Instrumental-Album in, wie passend, Mötley Crües Studio von Tommy Lee aufzunehmen. Das erste Ergebnis entsprach wohl nicht den Vorstellungen und Haskins verabschiedete sich auf Tour. Unschlüssig, was man mit dem vorhandenen Material machen sollte, komplettierte Produzent Jacknife Lee schließlich das Trio.

Den Anspruch des Trios bringen nicht nur die satte Produktion, sondern auch die Riege an Gastmusikern zum Ausdruck: James Murphy vom LCD Soundsystem, der Modest-Mouse-Frontmann Isaac Brock, Bobby Gillespie von Primal Scream und Edge von U2 finden sich, neben anderen, auf dem Album wieder.

Da hat man sich die Messlatte mal ordentlich hoch gelegt und so manche mögen sich wohl bereits zurück in die Post-Punk 80er-Ära träumen. Ihr werdet enttäuscht. Wer sich jedoch auf ein klangvolles, fast schon spielerisch überinstrumentalisiertes Rhythmik-Experiment einlassen möchte, ist genau richtig.

“This Is What It Is ( To Be Free )” groovt sich sphärisch an Bobby Gillespies stimmliche Windungen, gebunden durch ein akustisches Trommlerset. Früh wird ersichtlich, dass man sich mit Streichern und Synthesizern auch ausgiebig beschäftigt hat.

Diese fügen sich zunächst noch unaufdringlich mit ein, wenn James Murphy im düsteren Industrialsound “Los Angeles” zur kinderfressenden Stadt verklärt. Die Rhythmik besticht, die Klangwelt fibriert effektgeladen, während der Frontmann des LCD Soundsystems predigend Hollywood abschwört.

Den Mehrwert der Gastmusiker machen solche Tracks wie das hyperaktiv trommelnde “Uh Oh” mit Idles-Gitarrist Mark Bowen und Starcrawler-Frontfrau Arrow de Wilde oder der Track “Bodies” klar. Harfenspiel und vielschichtig überlagernde Rhythmik untermalen das Bluesgeschrei von Aktionskünstler Lonnie Holley.

Vielseitigkeit war der Supergroup sehr wichtig in ihrem Schaffen, so dass auch der dem Sprechgesang zugewandte Jazztrompeter Pan Amsterdam in minimierter Klangkulisse auftritt. Pochende Beats, geklopfte Rhythmik und über allem der Wortschwall einer Reisereportage.

Bobby Gillespies zweiter Auftritt bei “Ghosted At Home” bringt die Schaffenskraft zum Sieden. Akustisch betrommelt, nimmt der Bass seinen groovenden Lauf. Die Elektronik sägt sich düster in die Gehörwindungen, in denen Gillespies verschwörerischer Gesang bereits verweilt.

Das kann selbst The Edge mit seinem Einsatz auf “Train With No Station” und “Noche Oscura” nicht überbieten. Auch wenn ersterer Track für alle Klangfetischisten ein Leckerbissen erster Güte ist. Die allumfassende Rhythmik des Albums kommt hier, von Synthesizern umgarnt, zu ihrem Höhepunkt.

Es scheint fast, als hätten die Herren ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Die Instrumental-Tracks überborden mit klanglichen Facetten, überlagerten Synthesizern, fassbarer Rhythmik und Streicherpassagen. “Everything And Nothing” darf hier gerne als Blaupause dienen.

Enttäuschend bleibt lediglich “We Got To Move”, das mit fiedelnden Streichern beginnende Rhythmikmonstrum übersteht Isaac Brock leider nicht. Der Modest-Mouse-Frontmann lässt seine Verschrobenheit zu Hause und tauscht sie gegen Spritzigkeit. Angesichts des pulsierenden Synthesizerkonstrukts wohl keine schlechte Wahl, jedoch wirkt er, als hätte er sich ein wenig zuviel von dem reingezogen, was auf den Straßen von Los Angeles unter vorgehaltener Hand gehandelt wird.

Euer heimisches High-End Lautsprecher Equipment sehnt sich nach einem allumfassenden Betätigungsfeld? “Los Angeles” frisst nicht nur seine Kinder, es ist auch nach wie vor ein Schmelzpunkt für kreative Köpfe, wie es dieses abwechslungsreiche Rhythmikwunderwerk zur Schau stellt.

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