Landei. Ja. Morgan Harper-Jones ist ein Landei. Aufgewachsen bei den Großeltern im beschaulichen Nordwesten Englands, zählt sie Stricken und In-den-See-springen zu ihren Hobbies.
Seit 2017 ist die junge Künstlerin bereits als Sängerin unterwegs, den Durchbruch für ihr emotionales Singer/Songwriting brachte aber der Netflix-Hit „Love At First Sight“. Ihre zum Film beigesteuerten Songs landeten schnell in den Streaminglisten, nun kommt ihr Debütalbum „Up To The Glass“.
Für die unbedarften Hörer*innen überrascht zunächst ihre Stimme, die deutlich mehr Lebensjahre enthält, als Morgan Harper-Jones wirklich zählt.
Der Opener „Swimming Upstream“ verdankt eben dieser Stimme aber den Charakter, der irgendwo zwischen Kate Bush und Joni Mitchell sein Zuhause sucht.
Die meisten Songs der jungen Britin handeln von überbordenden zwischenmenschlichen Emotionen, so auch die poporientierte erste Singleauskopplung „Boombox“. Das Liebeswerben mit rhythmisch getaktetem Poprefrain hat Chartplatzierungen reserviert.
Dass sich die Sängerin im Singer/Songwriting-Genre heimischer fühlt, merkt man an der schunkeligen Ballade „Alone With You“, das nicht nur stimmlich unter Bettlaken kriecht.
Wenig später fordert Harper-Jones im Akustikgitarrengezurre und Duettgesang ein, der „Main Character“ zu sein. Das klingt harmonisch und hört sich auch so an.
Beseelt von diesem Liebesreigen fehlt nur noch „Forever For Now On“. Dieser gefühlvolle, heitere Titel zeigt die Vielseitigkeit der jungen Künstlerin.
Was vergessen ? Oh ja. „Leaves“ bietet ein verspielt pluckerndes Intro und Akustikgitarrenpop mit eingebauter Repeatfunktion, welche auch „Lose A Tooth“ als sanft beseelte Akustikballade innehat. Stimmlich aufblühend, beinah zwischen den Zeilen tänzelnd, weiß Ms. Harper-Jones zu begeistern.
Für Gänsehautmomente aber sorgt sie, wenn melancholischere Titel wie „Joshua“ gespielt werden. In den ersten Sekunden des Titels denkt man nicht selten an die bereits erwähnte, großartige Joni Mitchell, die den sanftmütigen Sprechgesang beseelt zu haben scheint.
Schön, dass Titel wie „Little Avalanches“ für ganz eigene Momente sorgen. Die Akustikgitarre begleitet die tonalen Leiter, die erklommen werden, hin zu einem Refrain, der die Pforten zum Garten der Glückseligkeit öffnet.
Melodischer und harmonischer als hier präsentiert sich Morgan Harper-Jones leider nicht mehr, kann aber mit dem kratzigeren „2D“ anderweitig überzeugen. Getragen von einem eingängigen Akkord hängt sie ihren Emotionen nach, wankt dabei zwischen elfenhaftem Poprefrain und verzweifeltem Barhockergesang, was ein erstaunliches Ganzes ergibt.
Zurück zu den Wurzeln bei „Amelia“. Die Percussion cusht und die Gitarre erhebt sich zur Zweitstimme, wenn dieser akustische Ohrenschmaus von Morgans Stimme zehrt, deren verschiedene Charaktere sie bei „Easy“ ein letztes Mal beweist.
Der Übergang vom Sprechgesang in den himmelsstürmenden Chorus begeistert immer wieder und lässt erahnen, warum sich namhafte britische Produzenten um die junge Künstlerin bemühen.
„Up To The Glass“ mag ein Debütalbum sein, kann sich aber jetzt schon in die Klassiker großartiger britischer Singer/Songwriterinnen einreihen, daran ändern auch chartorientierten Popnummern nichts.
Hoffentlich kann sich Morgan Harper-Jones ihren Landei-Charakter bewahren, denn mit Songs wie diesen, wird sie schnell auf den Bühnen der Welt ein neues Zuhause finden.