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The Smile – Wall Of Eyes

The Smile sind mit ihrem veritablen zweiten Album zurück, das trotz des unmittelbar gefühlten High-End-Niveaus für den Moment etwas hinter dem Debüt “A Light For Attracting Attention” zurückzubleiben scheint. Es ist nicht auszuschließen, dass das Absicht ist.

Noch weit weniger ist ausgeschlossen, dass die ungreifbareren Stücke auf „Wall Of Eyes“ mit der Zeit doch auf Übergröße heranreifen. So oder so, eine durchschnittliche Platte ist von Thom Yorke in diesem Leben nicht mehr zu erwarten. Das Durchwachsenste, was er je veröffentlich hat, bleibt das Radiohead-Debütalbum „Pablo Honey“, und selbst das hatte seine lichten Momente.

Mit Jonny Greenwood und Tom Skinner an seiner Seite hätte auch das The-Smile-Debütalbum eine profitable Radiohead-Platte abgegeben, die sich in diesem Kontext nach angenehmer Rückbesinnung anfühlte.

Auf ihrem neuen Album “Wall Of Eyes” geschieht nicht zwangsläufig eine größere Distinktion, aber doch ein ordentlicher Stoß ins Abseitige. Ein Stoß, der bei Radiohead zuletzt häufiger in die elektronischeren Winkel geleitete, sich hier aber ins Neo-Psychedelische verschiebt, beschlagen mit einer Klaviatur von Klassik bis Indie-Rock.

So wäre das stotternde „I Quit“ eben auch auf der letzten Radiohead-Scheibe „A Moon Shaped Pool“ aufgefallen. Nur nicht so sehr wie „Under The Pillows“. Unaufgeregter als hier haben sich Krautrock und Psychedelic lange nicht getroffen. Und trotzdem entfernt sich das Stück weiter von rationalen, wachen, weltlichen Dingen als alles andere auf diesem Album.

Das grandios zwischen 90er Alternative Nation und progressiv verspielter Indie-Suite changierende „Read The Room“ ist der schmale Grat zwischen Genie und Wahnsinn in seiner schönsten Form. Hier zeigt sich einmal mehr die Gleichberechtigung der Instrumente. Der Bass als Melodieinstrument, der Bass als Taktgeber, der Gesang als Stimme, der Gesang als räumlich veränderbarer Tonfolge. Die Gitarre als Narrativ, die pausenlos die Perspektive wechselt.

In „Friend Of A Friend“ tun The Smile das nochmal, mit völlig anderen Vorzeichen. Das Piano begleitet einen führenden Bass. Bläser verstehen sich als Störfaktoren und Auffangnetz zugleich.

Sicher ist man das alles zu einem gewissen Grad gewohnt von diesen Akteuren, was deshalb aber nicht weniger Achtung verdient, schließlich beherrschen das nur die allerwenigsten so gekonnt. Wie anders kann schon ein Piano, ein einfaches Bending, eine Akustikgitarre oder ein Streichquartett 2024 noch klingen? Sehr, wenn man sich diesem Album hingibt und Zeit einplant.

Die Vorabsingle „Bending Hectic“ ist das lautmalerische Moment seines Titels, wenn der Gitarrenton stufenlos seine Höhe verändert, sich die jazzigen Drums dazu gesellen und schließlich die vom London Contemporary Orchestra eingespielten Streicher die zu Beginn scheinbar losen Enden dieses Songs verweben.

Wenn am Schluss dieses in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Stücks der Noise-Rock-Moment des Albums wie ein Vulkanausbruch anmutet, zeigt sich die gewaltige Bandbreite einer Band, die damit so bedacht umgeht, dass sich Prahlerei verbietet.

Und weil das vorwärts wie rückwärts funktioniert, verhält es sich beim Titelsong “Wall Of Eyes” genau umgekehrt. Staunend zerlegt sich das Stück hintenraus in seine Einzelteile.

Gerade in seiner Bruchstückhaftigkeit innerhalb der Songs gestaltet sich dieses Album famos. Es bleibt das Geheimnis der Band, wie sie aus dieser Fragmentierung immer wieder zu einem formvollendenten Mosaik findet, das keinerlei Abrisskanten zeigt.

Dass diese Platte bei jedem Hören größer wird, nur um am Ende des Jahres doch wieder alles zu überragen, dafür werden ab sofort Wetten angenommen.

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